Janowski – Capablanca: Schwarz am Drücker gewinnt

Der vor 125 Jahren geborene José Raúl Capablanca war der erste Schachspieler mit Glamour-Faktor
Von Hartmut Metz

Obwohl die WM in Chennai zwischen Viswanathan Anand und Magnus Carlsen läuft, widmet sich Hartmut Metz in seiner aktuellen „Meko“ einem früheren Weltmeister: José Raùl Capablanca, der vor 125 Jahren geboren wurde. Der geniale Kubaner faszinierte ihn als Anfänger am meisten und bis heute. Das liege an seinem glasklaren Stil – und vermutlich daran, dass Metz seine „Karriere“ als Berichterstatter für Schachzeitungen vor 25 Jahren mit einem Bericht zum 100. Geburtstag des Genies begann.

Magnus Carlsen begeistert die Schach-Fans wie die Medien. Im Vorfeld der laufenden Weltmeisterschaft im indischen Chennai gegen Titelverteidiger Viswanathan Anand wurde der 22-Jährige als „Posterboy“ gefeiert, weil der Norweger für die Kleidermarke G-Star Raw modelte und vom Magazin „Cosmopolitan“ zu den 100 attraktivsten Männern auf dem Globus gekürt wurde. „Mozart des Schachs“ oder moderner „Justin Bieber des Schachs“ wurde Carlsen getauft. Das erste Wunderkind des königlichen Spiels mit späterem Glamour-Faktor wurde vor 125 Jahren geboren: José Raúl Capablanca erblickte am 18. November 1888 in Havanna das Licht der Welt. Bereits mit zwölf Jahren gewann er die kubanische Meisterschaft der Herren. Doch die schier unbezwingbare „Schachmaschine“ durfte erst 1921 gegen Emanuel Lasker um den WM-Titel spielen. Damals waren die Herausforderer noch handverlesen und mussten vor allem die finanziellen Forderungen des Champions erfüllen. Das Ausnahmetalent stieß Lasker nach 27 Jahren nicht nur vom Thron – „Capa“ blieb bis heute der einzige Spieler, der dem amtierenden Weltmeister keinen einzigen Sieg gönnte! In 14 Partien unterlag der Deutsche viermal und remisierte zehn Begegnungen.
Der Nationalheld wurde von seinem Land in den Rang eines Diplomaten erhoben. Der Salonlöwe wurde wohl etwas zu selbstgefällig und unterschätzte 1927 Alexander Aljechin. Der weit besser vorbereitete Russe gönnte dem Kubaner aus gutem Grund keine WM-Revanche. 1942 erlitt der Ausnahmekönner einen Schlaganfall und starb viel zu früh mit 54 Jahren.
Capablanca spielte mit großer Leichtigkeit und verlor in seiner Karriere nur 36 seiner 578 ernsten Partien! Seine herausragende Endspielkunst bewies er besonders 1916 in New York gegen David Janowski.

W: Janowski S: Capablanca
1.d4 Sf6 2.Sf3 d5 3.c4 c6 4.Sc3 Lf5 5.Db3 Db6 6.Dxb6 axb6 7.cxd5 Sxd5 8.Sxd5 cxd5 Schwarz hat zwar einen Doppelbauern auf der b-Linie verpasst bekommen, doch der kontrolliert wichtige Felder wie c5. Vor allem aber muss Weiß auf der geöffneten a-Linie auf der Hut sein. 9.e3 Sc6 10.Ld2 Ld7!? Ein interessanter Zug. Capablanca zieht den Läufer von seinem aktiven Posten auf ein passives Feld zurück. Dadurch schützt er aber den Springer auf c6 vor Fesselungen durch Lb5 und Druck auf der c-Linie. 11.Le2 e6 12.0–0 Ld6 13.Tfc1 Ke7 14.Lc3 Thc8 15.a3 Sa5 16.Sd2 f5 17.g3 b5 18.f3 Capablanca hat Teil eins des langfristigen Plans vollzogen: Ein lästiger Springer auf c4 ist implantiert – und den kann Janowski nicht stehen lassen. Sc4 Capablanca hat Teil eins des langfristigen Plans vollzogen: Ein lästiger Springer auf c4 ist implantiert – und den kann Janowski nicht stehen lassen. 19.Lxc4 19.Sxc4 dürfte etwas genauer sein. bxc4 20.e4 Kf7 21.e5 Le7 22.f4 b5 23.Kf2 Ta4 24.Ke3 Tca8 25.Tab1 h6 Nachdem am Damenflügel kein Gegenspiel von Weiß droht, macht sich der Kubaner daran, die Front auf der anderen Seite des Brettes zu öffnen. 26.Sf3 g5 27.Se1 Tg8 28.Kf3 gxf4 29.gxf4 Taa8 30.Sg2?! 30.Sc2! kontrolliert b4 und ermöglicht Weiß den Abtausch von Türmen auf der g-Linie: Tg4 31.h3 Tg7 32.Tg1 Tag8 33.Txg7+ Txg7 34.Th1 Le8 35.Le1 Kg8 36.Lg3 Lh5+ 37.Kf2 Kf7 38.Tg1 und Schwarz kommt nicht richtig durch. Tg4 31.Tg1?! 31.Tc2 Tag8 32.Se3 T4g7 33.Tg2 hält besser dagegen. Tag8 32.Le1 b4! Aktiviert den scheinbar schwachen Läufer auf d7 mit einem Bauernopfer. 33.axb4 33.Lxb4 scheitert letztlich an einem anderen Plan: La4 34.Tbc1 (34.Lxe7? verliert umgehend wegen Lc2! 35.Lb4 Lxb1 und der Springer auf g2 hängt, sollte Janowski den Läufer auf b1 schlagen) Lxb4 35.axb4 Tb8 36.Tge1 Txb4 37.Te2 Kf8 38.Se3 Tg7 39.Ta1 Tgb7 40.Tg2 Le8 41.Ta8 Kf7 42.Ta2 Tb3 43.Td2 Kf8 44.Kf2 Lh5 45.Ta8+ Kf7 46.Ta2 Ke7 Weiß gehen die Züge aus. Ein Beispiel: 47.Sg2 Tf3+ 48.Kg1 Kf7 49.Ta8? c3 50.bxc3 Tb1+. La4 34.Ta1 Lc2 35.Lg3? Der Computer entdeckt als einzige Rettung 35.Ta7!! Le4+ 36.Ke3! Txg2 37.Txg2 Lxg2 (Txg2 38.Lh4 Txh2 39.Txe7+ Kf8 40.Lf6 Txb2 41.Txe6 mit Ausgleich) 38.Lh4 Te8 39.b5 und Schwarz muss den Läufer auf e7 aufgeben, weil der b-Bauer sonst zu stark wird! Kf8?? – Tb8= sollte folglich geschehen – 40.Lxe7+ Txe7 41.b6! Te8 42.b7 Tb8 43.Ta8 mit Gewinn. Le4+ 36.Kf2 h5 37.Ta7 Danach ist es vorbei. 37.Se3 rettet aber auch nicht. h4 38.Sxg4 hxg3+ 39.hxg3 fxg4 40.Ta7 Tb8 41.Tga1 Txb4 42.T1a2 Lb1 43.T2a3 Txb2+. Lxg2 38.Txg2 h4 39.Lxh4 Txg2+ 40.Kf3 Txh2 41.Lxe7 Th3+ 42.Kf2 Tb3! 43.Lg5+ Kg6 44.Te7 Txb2+ 45.Kf3 Ta8 Capablanca spielt die Partie mit gewohnter Präzision zu Ende. 46.Txe6+ Kh7 und weil es gegen ein baldiges Matt keine sinnvolle Verteidigung mehr gibt, streckt Janowski die Waffen. 0:1.

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