Komodo entthront Jonny als Computerschach-Weltmeister
Komodo – Jonny: Weiß wählt – mit Computerhilfe – den stärksten Gewinnzug

Von Hartmut Metz
Für Menschen ist es inzwischen nahezu irrelevant, welches Schach-Programm sie auf dem Rechner haben. „Die haben mittlerweile eine Elo-Zahl von 3400. Da hat keiner mehr eine Chance“, befindet der Baden-Badener Großmeister Roland Schmaltz. Zum Vergleich: Selbst Weltmeister Magnus Carlsen liegt mit 2855 Elo meilenweit entfernt – in der Praxis bedeutet das, dass der Norweger gemäß der Rating-Statistik in 100 Partien nur vier Punkte gegen die Engines erzielen würde! Daher sind die Programme auch die besten Hilfsmittel für die Profis, die damit ihre neuen Eröffnungsideen kreieren und überprüfen. Im Vergleich der Top-Programme geben inzwischen Marginalien den Ausschlag. Aber es gibt noch Unterschiede! Das zeigte die 22. Computerschach-WM vergangene Woche an der Universität Leiden. Komodo 10 und Jonny dominierten das doppelrundige Turnier. Nach zehn Partien lagen die beiden mit 7,5 Punkten einen halben Zähler vor Shredder, dem Kind des deutschen Starprogrammierers Stefan Meyer-Kahlen. Abgeschlagen folgten Grid-Gingko (4), das frühere britische Spitzenprogramm Hiarcs (2,5) und Raptor (1,5). Das amerikanische Komodo, von dem Don Dailey, Larry Kaufman und Mark Lefler vor ein paar Wochen die zehnte Version ihres Bestsellers veröffentlichten, blieb ungeschlagen.
Jonny von Johannes Zwanzger, der für den FC Bayern München ans Bundesliga-Brett geht, gelangen jedoch mehr Siege. Daher musste ein Stichkampf den Ausschlag geben – erst in der dritten Verlängerung und fünf Unentschieden setzte sich Komodo gegen den bajuwarischen Titelverteidiger durch.
Die Partien zwischen Engines sind oft recht dröge und lange, weil beide Seiten taktisch nie patzen und letztlich höchstens kleine Fehler sich summieren, um dann eine Entscheidung zu bringen. Die nachfolgende letzte Stichrunden-Begegnung zwischen Weltmeister Komodo und Vorgänger Jonny besitzt aber durchaus Unterhaltungswert.

W: Komodo S: Jonny
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.c3 Sf6 5.d3 a6 6.Lb3 d6 7.h3 La7 8.Sbd2 0–0 9.Sf1 d5 10.De2 Te8 11.Le3 Lxe3 12.Sxe3 d4 13.Sc2 Le6 14.Lxe6 Txe6 15.cxd4 exd4 16.Dd2 Sh5 17.0–0–0 Df6 18.Kb1 Td8 19.Sce1 Tee8 20.g3 De7 21.Sc2 Die Stellung ist laut Komodo 10 völlig ausgeglichen. g6?! Die erste unmerkliche positionelle Schwächung der schwarzen Felder. Jonny möchte offensichtlich seinen Springer über g7 überführen. 22.Sh2 Sg7 23.The1 Dd6 24.Sg4 Kh8 25.f4 Sh5 26.e5 Dd5 27.Tg1 a5?! Se7 überzeugt mehr, um mit c5 vorzustoßen oder auch den Springer über f5 zu aktivieren bzw. den weißen Vorstoß nach f5 zu unterbinden. 28.Sh6 Sg7 29.Tde1 Tf8 30.h4 f6 31.exf6 Txf6 32.g4 32.Sg4 Te6 33.Txe6 Sxe6 34.Sf6 Df5 35.Se4 Sc5 36.Sxc5 Dxc5 37.g4. Tdf8 33.Te4 Dd6 34.Tf1

Dd5?! Das überraschende Sh5!! gefällt Komodo ausgezeichnet. 35.gxh5 gxh5 und der Springer entkommt nicht von h6. 35.Dh2 Dd6 36.De2 Dd7 Txf4? verliert wegen 37.Texf4 Txf4 38.Sf7+ Txf7 (Kg8 39.Sxd6) 39.Txf7; 36…Sf5!? verfolgt dieselbe Idee wie kurz zuvor Sh5: Der Springer auf h6 steht eingeklemmt und ist gefangen, wenn Weiß mit dem g-Bauern die Figur nimmt. 37.gxf5 gxf5 38.Sxf5 Txf5. 37.Tf2 Te6 38.Se1 Dd6 39.a3 a4 40.Tf1 De7 41.f5! Ein starker Plan. Txe4 42.dxe4 gxf5 43.Sxf5 Sxf5 44.gxf5 Dxh4 Se5 45.Sf3 Sxf3 46.Dxf3 Dd6 47.h5! d3 48.Td1 Td8 49.f6 Tf8 50.f7 De6 51.Dxd3 Dxf7 52.Dd4+ Dg7 53.Dxa4 kostet einen Bauern. Schwarz kämpft auch danach wegen des offenen eigenen Königs ums Überleben. 45.Sd3 Dg3 46.Sc5 Se5

47.Th1! Komodo kümmert sich nicht um den vermeintlich gefährlichen Freibauern auf d4 und setzt auf den Agriff auf der h-Linie. d3 Sf3 reicht wohl auch nicht. 48.Se6 Tg8 49.Td1 Dg2 50.Db5 c6 51.Dxa4 De2 52.Txd4! (52.Sxd4 Dxe4+ 53.Dc2 Dxc2+ 54.Kxc2 Sxd4+ 55.Txd4 mit Ausgleich) h5 (Sxd4 53.Dxd4+ Tg7 54.Dxg7 matt) 53.Td7 Sd2+ 54.Ka2 Dxe4 55.Dd4+ Dxd4 56.Txd4 Sf3 57.Td7 h4 58.f6 Sg5 59.f7 Sxf7 60.Txf7 Tg6 61.Sf4 Tg7 62.Tf8+ Kh7 63.Tf5 Tg4 64.Kb3 Kh6 65.Kc3 Tg5 66.Tf8 und Weiß gewinnt. 48.Dd2 Sf7 49.Sd7 Tg8 50.Sf6 Tg7 51.Da5 Dd6 Die einzige Verteidigung, die noch Chancen bietet. 52.e5! 52.Se8 De5 53.Dxe5 Sxe5 54.Sxg7 Kxg7 55.Kc1 Sc4 56.Th3 Se5 57.Kd2 b5 58.Tg3+ Kf7 59.Kc3 c5 60.Th3 Kg7 61.Th2 h6 62.Th1 tempiert Schwarz langsam aus. Kh7 63.Tg1 h5 64.f6 h4 65.Tg5 b4+ 66.axb4 cxb4+ 67.Kxb4 d2 68.Tg7+ Kh6 69.Tg1 h3 70.Kc3 h2 71.Tf1 Kg6 72.Kxd2. Dd8 53.Ka2+– Df8 d2 54.Td1 und der d-Bauer fällt. 54.e6 b6 55.Dc3 Dc5 56.Dxc5 bxc5

57.Sxh7! Am effektivsten, auch wenn 57.e7 Sd6 58.Te1 Tf7 59.Te6 c4 60.Kb1 Kg7 61.Sh5+ Kg8 62.f6 Se8 63.Kc1 h6 64.Ta6 Kh7 65.Ta8 ebenso gewinnt. Kg8 Txh7 erlaubt 58.exf7 Kg7 (Txh1 59.f8D+ Kh7 60.Df7+ Kh8 61.De8+ Kg7 62.Dg6+ Kh8 63.f6 mit undeckbarem Matt) 59.Txh7+. 58.Sf6+ Kf8 59.Sd7+ Kg8 Ke8 60.f6 Tg2 61.Th7 d2 62.Se5! (62.exf7+ Kxd7 63.f8D+ geht natürlich auch) Sxe5 63.Th8+ Tg8 64.Txg8 matt. 60.f6 1:0. Programmierer Johannes Zwanzger gab für sein Programm auf wegen Tg2 61.exf7+ Kxf7 62.Th7+ Ke6 63.f7 d2 64.f8D d1D 65.Df7+ Kd6 66.Th6+ Tg6 67.Txg6 matt.

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