„Ich bin normalerweise keine Spielernatur. Ich schwitze in jedem Spiel und bin danach fix und fertig“, bekennt Wally Schulz-Lessner Kraus. Trotzdem pilgert die 65-Jährige jeden Mittwoch aus Kesseldorf nach Kuppenheim, um in die Welt des Schachs einzutauchen. Angetan hat es ihr und ihrem Gatten Herbert „der Thomas“. Wir fahren extra wegen ihm immer her. Er ist ein Super-spitzen-Lehrer“, geraten die beiden Elsässer regelrecht ins Schwärmen.
„Der Thomas“ heißt mit Nachnamen Braun und hat sein Portfolio auf den 64 Feldern in den letzten Jahren erfolgreich ausgedehnt. Der Jugendleiter der Rochade Kuppenheim zieht inzwischen nicht mehr nur den Nachwuchs des Verbandsligisten heran. Der Oberweierer hat auch mehrere Schach-Arbeitsgemeinschaften an Schulen initiiert. Im vergangenen Herbst verfiel der Geschäftsführer eines Bäckerei-Handwerksbetriebs auf die Idee, doch auch einmal ältere Semester an das königliche Spiel heranzuführen. „Es ist ja nicht nur wissenschaftlich belegt, dass Kinder in allen Schulfächern besser werden, wenn sie Spaß am Schach haben und dies erlernen. Bei Senioren hält das Spiel auch den Geist wach“, erzählt der 50-Jährige von seinen Beweggründen, einen Anfängerkurs für ein neues Klientel anzubieten.
Die Idee schlug weit besser ein, als Braun jemals erwartet hätte. Rund 25 Teilnehmer meldeten sich für den Kurs im Alten Kindergarten, dem Vereinsheim der Rochade direkt neben der katholischen Kirche. Im Frühjahr bot er einen weiteren an. Die Senioren vom Auftakt gesellten sich zum Teil wieder hinzu – schließlich hatten sie sich für das alte Denkspiel begeistert und wollten es nicht mehr missen. „Ich hatte in den 70er Jahren ein schönes Schachbrett gekauft, aber nie groß darauf gespielt“, erinnert sich Werner Kassel, „als ich das zweite Kursangebot sah, dachte ich: Komm, probier’s mal.“ Der 70-jährige Neuling wusste zwar, „wie die Figuren ziehen, aber nicht, was man beachten sollte und wie man sie so hinstellt, dass sie am beweglichsten agieren. Die Vielfalt macht Spaß“. Daher will der Kuppenheimer die wöchentlichen Treffen mittwochs von 16.30 bis 18 Uhr nicht mehr missen. „Ich habe Gesellschaft und bin geistig gefordert“, freut sich Kassel darüber, den „Kopf fit zu halten und nicht träge zu werden“.
Braun zeigt seinen Schützlingen unterhaltsame Klassiker mit wilden Opfern wie „Die Unsterbliche“ oder „Die Immergrüne“ von Adolf Anderssen. „Aufgaben zu lösen, wiederkehrende Motive und Kombinationen zu zeigen, macht ihnen den meisten Spaß“, stellt der Bezirksklassen-Spieler fest. Er will nun auch ein kleines Turnier für die Senioren organisieren. Die Rundumbetreuung hat nebenbei dazu geführt, dass rund ein Dutzend Teilnehmer als Mitglied bei der Rochade Kuppenheim eintraten – immerhin ein Zuwachs von mehr als zehn Prozent für den vierfachen badischen Pokalsieger. Rochade-Präsident Michael Waschek preist seinen Jugendleiter und Seniorenwart in Personalunion entsprechend: „Thomas ist ein Glücksfall für den Verein. Er hat nicht nur gute Ideen, sondern engagiert sich für diese anschließend enorm“, stellt der Vereinsvorsitzende fest und verweist auf das ebenfalls von Braun erfolgreich lancierte jährliche Jugendturnier.
Schon fast wie bei den Profis spielt Schach bei Schulz-Lessner Kraus eine Rolle. „Ohne Übertreibung: Wir spielen inzwischen jeden Tag daheim!“, berichtet die Kesseldorferin. Die beiden Elsässer haben selbst ihre Nachbarn animiert, ab und zu im Freien ein Partiechen auszufechten. Um dieses besonders genießen zu können, erfüllten ihnen die Freunde aus der Nachbarschaft einen „Wunsch“ – und schenkten Gatte Herbert zum 80. Geburtstag ein „richtig edles Spiel“. Auch wenn die Turnierfiguren in Kuppenheim weniger aufwändig gemacht sind, fahren sie weiter jeden Mittwoch zum Alten Kindergarten, denn wie sagt schließlich auch Kassel: „Der Thomas macht das spitzenmäßig!“