Roos – Wohlfahrt: Weiß gewinnt im „Schweinsgalopp“ |
Von Hartmut Metz
Schach-Omi stellt neuen Weltrekord auf“, titelte die „Bild“-Zeitung unlängst und beschäftigte sich aus- nahmsweise mit Denksport. Die 87-jährige Brigitta Sinka sorgte weltweit für Aufsehen, weil sie 13600 Partien im Simultanschach gespielt hat. Die Ungarin gelangt damit wohl ins „Guinness-Buch der Rekorde“, weil sie akribisch jeden Gegner und jedes Resultat notierte. In einem vollbesetzten Partyzelt in einem Budapester Park hievte die Ungarin die Zahl ihrer Partien auf über 13545. Eigentlich wollte Sinka beim Erreichen der neuen Bestmarke eine kurze Gedenkminute abhalten für den bisherigen Rekord- halter. „Aber da waren so viele Leute, die darauf warteten, dass ich meinen nächsten Zug tue, also spielte ich einfach weiter“, erzählte die 87-Jährige, bevor sie bei über 13600 Partien Feierabend machte. Bis zu diesem Tag hatte der 1942 verstorbene José Raùl Capablanca die Bestmarke gehalten. Der dritte Weltmeister ist heute noch für viele der beste Spieler der Schach-Historie. Der Kubaner verlor in seiner Karriere nur 36 Turnierpartien und wurde wegen seiner Präzision auch die „Schach-Maschine“ genannt. Jean-Luc Roos hält Capablanca noch immer für den Größten.
„Ich wusste nicht, dass es solch einen Rekord gibt – und hätte aber auch dann nicht seine Bestmarke anfechten wollen“, betont der Straßburger und „findet das alles ein bisschen lächerlich“. Im Gegensatz zu der ungarischen Oma hatte der Kubaner sicher weit hochkarätigere Gegner. Und wenn es allein um Quantität geht, ist der 60-Jährige aus der berühmten Schach-Familie Roos – seine Brüder Daniel und Louis tragen ebenfalls den Titel eines Internationalen Meisters – die klare Nummer eins. Der Spieler der Rochade Kuppenheim und des französischen Rekordpokalsiegers CE Straßburg (CES) hat nämlich bereits rund 300 Simultans gegeben „und im Durchschnitt sicher jedes Mal mehr als 100 Partien“ gespielt.
Auch wenn Jean-Luc Roos nie Aufzeichnungen machte und auch nicht sagen kann, wann er mit den Simultans begann, ahnt er, „dass ich sehr wahrscheinlich der Weltrekordler bin“. Doch der Elsässer „möchte kein Weltrekordler sein“. Zum einen aus Respekt vor Capablanca, zum anderen hätten seine Simultans „keinen seriösen Charakter“, findet der gallische Scherzbold.
Um Werbung für das königliche Spiel und CES zu machen, baut der „alte Patzer“, wie sich Roos selbst schimpft, auf den Plätzen in Straßburg alle paar Wochen Bretter auf und tritt gegen jeden Passanten an, der Lust auf ein Partiechen hat. Am 29. August gibt es in Straßburg auf dem Place d’Austerlitz ab 13.30 Uhr die nächste Gelegenheit dazu.
Mit lockerer Hand spielt es sich nicht nur beim Simultan oft am wagemutigsten. Während eines Turniers in Budapest machte Roos an Silvester durch und verbrauchte direkt danach am Neujahrstag 1989 nur 20 Minuten Bedenkzeit. „Vielleicht sollte ich mehr trinken und weniger denken“, schlussfolgerte der Elsässer nach einer seiner schönsten Turnierpartien …
W: Roos S: Wohlfahrt
1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le3 e6 7.f3 b5 8.g4 h6 9.h4 Sbd7 10.a4 bxa4?! b4! ist logischer, um den Springer von seinem Idealfeld zu vertreiben. Der Zug ist auch taktisch gerechtfertigt und kostet keinen Bauern: 11.Sc6 Dc7 12.Sxb4 d5! 13.Sd3 dxe4 14.fxe4 Tb8 15.Dd2 (bei 15.Le2? geschieht Txb2! und 16.Sxb2 verbietet sich wegen Dxc3+ 17.Dd2 Dxb2) Sxg4 16.Lf4 e5 17.Sd5 Dd6 18.Lg3 Sdf6 Schwarz steht bereits leicht besser. 11.Dd2?! 11.Tg1 droht den Vorstoß nach g5. Lb7?! a3 nutzt wieder den Trick mit dem Vorstoß nach d5 und Angriff durch den schwarzen Läufer auf f8, sollte der Gegner mit dem Turm auf a3 nehmen, um seine Bauernstruktur intakt zu halten. 12.Txa4 Sc5 13.Ta1 Dc7 14.b4 Etwas wild. 14.Tg1 oder Lg2 sind solider. Scd7 15.b5 axb5?! Das thematische d5 hat auch seine Tücken, ist aber chancenreicher. 16.bxa6 dxe4 17.Sdb5 Db8 (Dg3+ 18.Lf2 Db8 – Dxf3 verliert wegen 19.Sc7+ Ke7 20.Th3 Dxg4 21.Td1 – 19.a7) 18.a7 verläuft genauso wie die vorherige Variante, nur mit dem Läufer auf e3 statt f2. Dc8 19.Sxe4 Sxe4 20.fxe4 Lxe4 21.Th3 Le7± Weiß steht zwar wegen des gedeckten Freibauern auf a7 überlegen, aber dank des offenen Königs behält Schwarz gefährliche Gegenchancen. 16.Txa8+ Lxa8 17.Scxb5 Db8? Dd8 verhindert den nächsten feindlichen Zug samt der Drohung. 18.Da5! Droht das Schlagen auf a8 samt Springergabel auf c7. Lb7 19.Sc7+ Ke7 20.La6! Se8?! Der letzte Fehler. Sc5 verteidigt sich fintenreicher. Dann muss Roos erst den „Ausbeiner“ 21.e5! finden, der eine Figur gewinnt: Sxa6 22.Sxa6 Dc8 (oder Lxa6 23.Sc6+ Kd7 24.Sxb8+) 23.exf6+. 21.Lxb7 Dxb7
22.Sf5+! exf5 Kf6 23.Sxe8+. 23.Sd5+ Ke6 24.gxf5+ Ke5 25.Dc3 matt.
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