Spielmann – Flamberg: Weiß – der “letzte Ritter des Königsgambits” – setzt den sofort entscheidenden Hieb

Schach-Historiker Stefan Haas arbeitet Turnier in Mannheim 1914 auf
Von Hartmut Metz
Der XIX. Kongress des Deutschen Schachbundes in Mannheim hat für keinen Teilnehmer gut geendet. Mitten ins Turnier vor 100 Jahren platzte der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die plötzlich „feindlichen“ Spieler wurden in Rastatt interniert. Während der Völkerschlacht wurde es für die Russen um Jefim Bogoljubow und den späteren Weltmeister Alexander Aljechin sehr ruhig – aber man war glücklicherweise fern der Front: „Das Leben im Gefängnis war ziemlich eintönig. Es gab keine Bücher, keine Zeitungen und natürlich auch kein Schach. Deshalb haben Bogoljubow und ich stundenlang Blindpartien gespielt“, erinnerte sich Aljechin. Aufregender hatte sich zuvor der DSB-Kongress bis zur elften der geplanten 17 Runden entwickelt. Aljechin führte mit 9,5 Punkten, hatte aber noch das schwierigere Restprogramm als die Verfolger Milan Vidmar (8,5) und Rudolf Spielmann (8). Der Karlsruher Schach-Historiker Stefan Haas hat sich rechtzeitig zum 100-jährigen Jubiläum des Turniers einmal mehr ums badische Schach verdient gemacht.
Der Verbandsligaspieler der Karlsruher SF brachte im Schachverlag Dreier einen 320 Seiten starken Band (34,50 Euro) über den bedeutenden Kongress heraus. Dabei förderte Haas vielerlei Informationen zutage, die auch die Geschichte fern der 64 Felder beleuchtet. Puristen mögen die Konzentration auf den Denksport und die Wettbewerbe in Mannheim bevorzugen, zumal die Rundenberichte sehr kurz kommen und sich nur über insgesamt vier Seiten erstrecken. Doch dafür hat Haas bis auf fünf Partien alle des Meisterturniers zusammengetragen und liefert Hintergründe zur Schach-Entwicklung im Deutschen Reich und insbesondere in Mannheim selbst. Wer sich weniger für den bald tobenden Weltkrieg und die Begeisterung – auch der deutschen Teilnehmer – interessiert, kann die Seiten zum Attentat am 28. Juni 1914 in Sarajevo und die Tage danach einfach überblättern.
Gleich die erste Partie am 21. Juli 1914 ist eine besonders aufregende: Rudolf Spielmann, „Der letzte Ritter des Königsgambits“, nahm Alexander Flamberg zum Auftakt des Turniers in nur 15 Zügen auseinander. Die Schlappe im Königsgambit blieb jedoch nicht die einzige des Tabellenvorletzten aus Warschau, der einige spektakuläre Niederlagen in Mannheim kassierte. Spielmann startete furios mit vier Siegen.

W: Spielmann S: Flamberg
1.e4 e5 2.Sc3 Sf6 3.f4 d5 4.fxe5 Sxe4 5.Sf3 Ein neuer Versuch von Spielmann, nachdem er zuvor 5.Df3 bevorzugt hatte und dies „seit dem Wettkampf Rubinstein – Mieses als ungünstig galt“, wie die Deutschen Schachblätter vermerken. Lg4 Lc5 6.d4 Lb4 7.Ld2 c5 gefällt Programmen heutzutage mehr. 6.De2 Das sieht merkwürdig aus, weil es den Läufer verstellt – der Zug hat aber durchaus seine Berechtigung. Er zwingt den Springer auf e4 zu einer Entscheidung und droht gleichzeitig ein Damenschach auf b5. 6.d3 kommt genauso in Betracht. Sxc3 7.bxc3 c5 mit Ausgleich. Sc5? Sxc3 verdient den Vorzug. 7.d4! Diesen Vorstoß glaubte Flamberg verhindert zu haben, mutmaßen die Chronisten. Lxf3? Se6 8.Db5+ c6 9.Dxb7 Sd7 10.Le3 Tc8 11.Le2 Tc7 12.Da6± beschert Weiß einen Mehrbauer, aber bietet gewisses Gegenspiel. 8.Dxf3 Dh4+? 9.g3 Dxd4 10.Le3! Dxe5 11.0–0–0 c6 So weit dürfte es Flamberg vorhergesehen und seine Stellung für gut befunden haben. Ein Irrtum.

12.Sxd5! 12.Lh3 und 12.Lb5! Sbd7 13.Lxc5 Lxc5 14.The1 0–0 15.Txe5 Sxe5 16.De2 Tae8 17.Txd5 Sg6 18.Txc5 Txe2 19.Lxe2 kosten Flamberg auch den vollen Punkt. cxd5 13.Txd5? 13.Lxc5 überzeugt noch mehr. Lxc5 14.Lb5+ Kf8 15.The1 Dg5+ 16.Kb1 Sc6 17.Txd5 Sd4 18.Dg2 (18.De4 De7 19.Dxe7+ Lxe7 20.Txd4 g6 21.Td7 Lc5 22.Tf1 Kg7 23.Tfxf7+ Kh6 24.Txb7 reicht sicher auch) Sf5 19.Txc5 g6 20.Lc4 Kg7 21.Lxf7! gewinnt, weil sich 21…Kxf7 nicht geziemt wegen 22.Dxb7+ Kf8 23.Dxa8+. De6? Dc7 ist noch spielbar. 14.Lf4 (14.Lb5+ Sc6 15.Lxc5 Lxc5 16.Txc5 0–0 17.Lxc6 bxc6 18.Txc6 De5 erobert nur einen Bauern. Lieber spielt Weiß weiter auf Angriff) Db6 15.Lxb8 Le7! (Txb8 ermöglicht 16.Df4! Tc8 17.Lb5+! Dxb5 18.Te1+ Le7 19.Txe7+! Kxe7 20.Dd6+ Ke8 21.Te5+ Se6 22.Txb5) 16.Le5 0–0 17.Lc4±. 14.Lc4 De4?!

Das bessere Scd7 ist letztlich hoffnungslos: 15.Te1 Sc6 16.Lf2 Le7 17.Txe6 fxe6 18.Tb5+–. 15.Lxc5!! 1:0. Flamberg gab auf wegen Dxf3 16.Te1+ Le7 17.Txe7+ Kf8 18.Td8 matt.


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