Heinemann – Nisipeanu: die schwarze Kavallerie bläst zum Angriff

„Toilettegate“: Indizien gegen Großmeister Bindrich mehren sich
Von Hartmut Metz
Wenn Betrug auf dem stillen Örtchen ruchbar wird, wird es auch mal laut um Schach: Die „Toilette-gate“-Posse beim Start der Bundesliga vor drei Wochen schaffte es jetzt sogar auf die Titelseite der „Financial Times Deutschland“. Falko Bindrich war bereits am ersten Spieltag nach seinem Sieg über Pawel Tregubow vom unterlegenen Mülheimer unter-stellt worden, er habe sich mit seinem Smartphone Vorteile verschafft. Die Partie gewann er letztlich überzeugend (siehe Schachspalte vor zwei Wochen) und trug zum 4,5:3,5-Erfolg des SC Eppingen im Spitzenkampf über Mülheim-Nord bei. Dieses Resultat bestätigte der Bundesliga-Spielleiter Jürgen Kohlstädt mittlerweile. Tags darauf stank Bindrichs nächstem Kontrahenten, Sebastian Siebrecht, dessen Verhalten auch – und verfolgte ihn mit dem Unparteiischen aufs Klo. Beschiss konnte dem 22-jährigen Großmeister dort zwar nicht direkt nachgewiesen werden. Aber verdächtig machte sich Bindrich, weil er eine „Taschenkontrolle“ verweigerte. Der Schiedsrichter wollte sich die Gewissheit verschaffen, dass keine Partie auf dem Smartphone analysiert wurde. Die deutsche Nummer eins, der Baden-Badener Arkadij Naiditsch, meint dazu rigoros: „Was hat das Handy überhaupt in der Tasche von Bindrich zu suchen? Das darf er überhaupt nicht dabei haben. Er gehört schon dafür genullt.“ Das geschah dann auch, Eppingen verlor anschließend gegen Katernberg mit 3,5:4,5.
Die Indizien mehren sich, dass Bindrich die erste Partie mit elektronischem Doping gewonnen hat. „Falko ist kein schlechter Spieler, aber ab Zug 40 hat er perfekt gespielt“, ermittelte Naiditsch. Schwer wiegt auch, dass zum Beispiel die Engine „Hiarcs 13“ auf der Handy-Version nach der Eröffnungstheorie in 36 von 40 Fällen die gespielten Züge als besten oder zweitbesten anzeigt. Nur vier Züge lassen sich so nicht reproduzieren.
Eppingen setzt Bindrich bis zu einer Entscheidung des Deutschen Schachbundes (DSB), der wegen elektronischen Dopings ermittelt, nicht mehr ein. „Ansonsten laufen wir Gefahr, nachträglich Kämpfe zu verlieren“, befürchtet Kapitän Hans Dekan. Gegenüber dem Großmeister verhalten sich die Kraichgauer wegen des bestehenden Arbeitsvertrages, der „Doping“-Vergehen verbietet, vorerst neutral. Dekan rechnet jedoch mit einer Sperre für den bereits in einem anderen Fall vor vier Jahren belasteten Spieler.
Dass man auch ohne Smartphone brillante Partien spielen kann, bewies zeitgleich zum „Fall Bindrich“ Liviu-Dieter Nisipeanu. Beim 5,5:2,5 von Meister OSG Baden-Baden über den Hamburger SK bezwang der deutschstämmige Rumäne mit den schwarzen Steinen Thies Heinemann. Nisipeanu bewies auch kurz danach seine derzeit glänzende Form, indem er das stärkste offene deutsche Turnier in Bad Wiessee mit 7,5:1,5 Punkten gewann.

W: Heinemann S: Nisipeanu
1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.Ld3 Sc6 5.c3 Dc7 Mit dem frühen Damenzug möchte Nisipeanu verhindern, dass der Läufer auf das Idealfeld f4 kommt und so die lange Diagonale kontrolliert. 6.Se2 Lg4 Damit torpediert Schwarz erneut die Läuferentwicklung gen f4, die nun sogar mit Tempogewinn wegen des Angriffs auf die Dame gelänge. 7.Da4 Erneuert die Drohung mit Lf4. 7.Lf4 Dxf4! 8.Sxf4 Lxd1 9.Kxd1 e6 muss Schwarz gewiss nicht fürchten. Eher steht er schon minimal besser. Lxe2 Konsequent! Gibt zwar das Läuferpaar – doch Weiß verliert weitere Zeit mit dem bereits entwickelten Läufer. Zudem ist Lf4 zunächst vom Tisch. 8.Lxe2 e6 9.Lg5 Nach e3 mag Heinemann den Läufer auch nicht passiv stellen und postiert ihn deswegen so, dass er auch bereit zum Abtausch ist. Le7 10.Lxe7 Sgxe7 11.Sd2 0–0 12.Dd1 Um gegen a6 nebst b5 mit dem Gegenstoß a4 kontern zu können, zieht Weiß die Dame wieder reumütig zurück. Sein Eröffnungskonzept erweist sich damit jedoch als wenig stichhaltig. Der Gegner übernimmt das Ruder. 12.0–0 a6 13.Ld3 Sg6 14.Dc2 Tfc8 sollte für Ausgleich sorgen. e5 Die Alternative f6 13.0–0 e5 14.Sb3 b6 vermeidet den isolierten Bauern auf d5. 13.dxe5 d4! Beseitigt sofort den isolierten Bauern, bevor dieser zur Schwäche werden könnte. Den Bauern auf e5 kann sich Schwarz später noch immer einverleiben. 14.0–0 14.f4 birgt Tücken: dxc3 15.bxc3 Tad8 16.0–0 Sxe5! 17.fxe5 Dxc3 18.Lc4 (18.Db3! verteidigt sich stärker. Dc5+ 19.Kh1 Txd2 20.Lc4 Kh8 21.Lxf7 Dxe5 22.Lc4 mit annähernd Ausgleich) Txd2 19.Db3 Dd4+ 20.Kh1 Sd5 21.Tab1 b6 22.Tbd1 Se3 23.Lxf7+ Kh8 24.Txd2 Dxd2 25.Tg1 Sg4 26.h3 Sf2+ 27.Kh2 Df4+ 28.g3 Dd2 29.h4 (29.Tg2 endet fatal: De1 30.Tg1 De2 31.Tg2 Df1 32.g4 Dh1+ 33.Kg3 Se4+ 34.Kf3 Sd2+ 35.Kg3 Sxb3) Sg4+ 30.Kh3 Sxe5 und Schwarz steht auf Gewinn. dxc3 15.bxc3 Dxe5 Tad8 16.f4 Sxe5 17.fxe5 Dxc3 verläuft wie die Variante zuvor. 18.Db3 beschert Heinemann Ausgleich. 16.Tc1 Tad8 17.De1? 17.Lf3 Df4 18.Tc2 Td7 19.De2 Tfd8 20.Sc4 verteidigt sich hartnäckiger. Tfe8 18.Sf3 Df6 19.Tc2 Sd5 20.Da1? In schwieriger Position verliert Heinemann endgültig die Übersicht. 20.Db1 Sf4 21.Lc4 Df5! 22.Sd4 Sxd4 23.cxd4 De4 24.f3 Dxd4+ 25.Kh1 Te7 büßt zwar einen Bauern ein, ist aber deutlich besser als die Partiefortsetzung. Sf4! 21.Ld1 Sb4! Die Springer wirbeln nun gewaltig. Der Rappen darf nicht geschlagen werden, weil ansonsten die Dame auf a1 hängt. 22.Tc1 22.Td2 Txd2 23.Sxd2 Sbd3 24.Lf3 Dg5 25.Se4 Txe4! endet im Fiasko: 26.Lxe4 Sh3+! 27.Kh1 Sdxf2+ 28.Txf2 Sxf2+ 29.Kg1 Sxe4. Sbd3 23.Tc2 Dg6 24.g3 Sh3+ 25.Kg2 25.Kh1 Dc6 26.Kg2 Sg5 27.Td2 Se5 28.Txd8 Txd8 und auf f3 geht eine weiße Figur verloren. Sdf4+ 26.Kh1 Dd3 27.Sd2 Sxf2+! 28.Kg1 28.Txf2 Te1+ 29.Sf1 Dxf1+ 30.Txf1 Txf1 matt. Sxd1 Wickelt gefahrlos ab. Computerprogramme plädieren für S2h3+ 29.Kh1 Td6 30.c4 Sf2+ 31.Kg1 S4h3+ 32.Kg2 Sxd1 33.Dxd1 Te2+ 34.Kh1 De3 35.Db1 Tdxd2 36.Txd2 Dxd2. 29.Dxd1 Se2+ 30.Kg2 Sxc3 31.Dc1 Te2+ 32.Tf2 Txf2+ 33.Kxf2 Dxc2! Ein hübscher Abschluss der gelungenen Partie. 34.Dxc2 Txd2+! 35.Dxd2 Se4+ und weil das Bauernendspiel völlig hoffnungslos ist, streckte Heinemann umgehend die Waffen. 0:1.

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