Angriffskünstler Naiditsch machte in der Schlussrunde – mit schwarz am Zug – gegen Kaido Kulaots kurzen Prozess

Schachspielerinnen sind in französischer Topliga umworben
Von Hartmut Metz
Die französische Liga „Top 12“ zählt zu den stärksten Mannschaftsmeisterschaften in der Schachwelt. Nur das russische und das deutsche Oberhaus dürften eine noch höhere Qualität bieten. Clichy Echecs 92 gewann ohne Verlustpunkt in diesem Jahr den Titel mit 30 Zählern – ein Team hatte kurzfristig abgesagt und die „Top 12“ zu einer Top-11-Liga degradiert. Es bestehen zwei wesentliche Unterschiede zur deutschen Bundesliga: Zum einen treffen sich die Gallier an einem Spielort – heuer in Belfort – und tragen alle Partien an wenigen Tagen aus. In der Bundesliga werden die 15 Begegnungen an sieben Wochenenden über die Saison hinweg absolviert. In Frankreich wird zum anderen an neun statt an acht Brettern gekämpft. Das dient der Förderung der französischen Spielerinnen: In jedem Team muss eine Frau mit einheimischem Pass antreten! Das führte in der Vergangenheit zur skurrilen Situation, dass die wenigen starken Großmeisterinnen kräftig umworben waren und mehr Honorar erhielten als wesentlich bessere Männer.
Entlang der Rheingrenze sind einige Topvereine angesiedelt: Mulhouse Philidor (21 Punkte), das nahe Bischwiller (20) und Metz Fischer (17) belegten die Plätze fünf bis sieben. Der frühere elsässische Vorzeigeklub CE Straßburg schaffte diese Saison die Rückkehr in die „Top 12“. Bei Bischwiller zählt Großmeister Philipp Schlosser zu den Stützen – gegen seinen Mannschaftskameraden beim deutschen Meister OSG Baden-Baden, Arkadij Naiditsch, kassierte der Kurstädter aber gleich zum Saisonauftakt eine Schlappe in nur 22 Zügen. Angriffskünstler Naiditsch machte aber auch in der Schlussrunde gegen Kaido Kulaots kurzen Prozess und holte insgesamt stolze 7,5:2,5 Punkte für das viertplatzierte Marseille (25).

W: Kulaots S: Naiditsch
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.Dc2 0–0 5.e4 d5 6.e5 Se4 7.Ld3 c5 8.Sf3 cxd4 9.Sxd4 Sd7 dxc4? ist schlechter: 10.Lxe4 Dxd4 11.Lf4 Sc6 12.Td1 Dc5 13.Lxh7+ Kh8 14.Le4 Sxe5 15.0–0 f5 16.De2! a6 mit etwas Vorteil für Weiß. 16…fxe4? führt zu einer nur schwierig zu haltenden Stellung. 17.Sxe4 Sf3+ 18.Dxf3 Df5 19.Sg5 Dg6 20.Dg3 Kg8 21.Ld6 Lxd6 22.Txd6 Weiß hält alle Trümpfe in der Hand. 10.Lf4 Dh4!? Ein für Naiditsch typischer aggressiver Zug. Sdc5 ist eine solide Fortsetzung, die zum Ausgleich führt. 11.g3 Dh5 12.0–0 g5!? 13.cxd5 gxf4 14.Lxe4 Sxe5 15.dxe6 Sg4 Statt dieser Neuerung kann Schwarz auch zum Beispiel Lxe6 ziehen. 16.Lxb7 muss der Nachziehende dabei nicht fürchten. Sg4 17.h4 fxg3 18.Lxa8 (18.fxg3 Lc5 19.Tf4 De5 20.Sce2 De3+ 21.Kh1 Lxd4 22.Sxd4 Dxg3 23.Txg4+ Lxg4 24.Lxa8 Dxh4+ 25.Dh2 Dxh2+ 26.Kxh2 Txa8 27.Tg1 h5) Dxh4 19.fxg3 Dxg3+ 20.Dg2 De3+ 21.Kh1 Dh6+ 22.Kg1 De3+ mit Remis durch Zugwiederholung. 16.Sf3 16.exf7+ Txf7 17.h4 Lc5 18.Sce2 fxg3 19.fxg3 Se3 20.Db3 Sxf1 21.Txf1 Kg7 (Kf8? gibt Probleme wegen 22.Sf4!! Lxd4+ 23.Kh2 Txf4 – oder 23…Dc5 24.Sg6+ hxg6 25.Dxf7 matt beziehungsweise 23…Dh6 24.Sg6+ Dxg6 25.Lxg6 Txf1 26.Db4+ Kg8 27.Dc4+ Kg7 28.Dxd4+ Tf6 29.Lxh7 mit Gewinn) 22.Txf7+ Dxf7 23.Dc3 De7 24.Kh2 Lxd4 25.Dxd4+ Df6 26.Dc5 Le6 mit ausgeglichener Stellung. Lxe6 17.Tad1?! 17.Se2 fxg3 18.Sxg3 sollte umgehend die gefährliche Lage am Königsflügel klären. Tac8 18.Lxb7 Tc7 19.Le4 fxg3 20.hxg3 Dh3 21.Dc1 f5! 22.Ld5 Lxd5 23.Txd5 f4! 24.Tg5+ Kh8 25.Dd1 Lc5 26.Se4? 26.Txc5! verteidigt sich hartnäckiger. Txc5 27.Dd4+ Te5! 28.Se4 h6 29.Dc3 Kg8 30.Db3+ Kg7 31.Dc3 fxg3 32.fxg3 Dxf1+ 33.Kxf1 Txf3+ 34.Dxf3 Sh2+ 35.Ke2 Sxf3 36.Kxf3 Schwarz sollte das Endspiel jedoch gewinnen. [Diagramm] Se3!! Greift nicht nur die Dame auf d1 an, sondern droht auch ein Matt auf g2! 27.fxe3 Lxe3+ 28.Tf2 Tc1 29.Dxc1 Lxc1 30.Sfd2 Lxb2 (droht Ld4) 31.Td5 Tg8 32.Tg2 fxg3 erweist sich letztlich als hoffnungslos. 0:1.

Springeropfer am Rand ist keine Schand‘

Für das drittplatzierte Evry Grand Roque (25) geht Sophie Milliet ans Brett. Die hübsche Großmeisterin, die mit dem Schweizer Nationalspieler Yannick Pelletier von Meister Clichy liiert ist, spielte die kurzweiligste Partie in Belfort. Carole Forestier gab nach 20 Zügen auf.

W: Milliet S: Forestier
1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.f4 c5 6.Sf3 Sc6 7.Le3 Db6 8.a3 8.Le2 ist genauso gut möglich. Weiß will jedoch auf jeden Fall das Nehmen auf b2 ausschalten. cxd4 Dxb2?? wird nun durch 9.Sa4 mit Damenfang bestraft. 9.Sxd4 Lc5 10.Scb5! 10.Sa4 Da5+ 11.c3 Lxd4 12.Lxd4 Sxd4 13.Dxd4 b6 14.Db4 Dxb4 15.axb4 Lb7 16.Lb5 Ke7 verspricht Weiß wenig. a6 Sxd4 11.Lxd4 Lxd4 12.Dxd4 Dxd4 13.Sxd4 mit etwas Vorteil für Weiß, dessen Leichtfiguren bessere Felder finden. 11.Sxc6! Lxe3?? Der Zug sieht blendend aus, droht doch Lf2+ nebst De3 matt. Indes weiß Milliet natürlich um die richtige Entgegnung. 12.Sd6+ Kf8 13.Dh5! Entkräftet das Läuferschach und gedenkt selbst ein Matt auf f7 anzubringen! Sxe5 14.fxe5 Lf2+ 15.Kd1 Dc7 g6 16.Dh6+ Kg8 17.Se7 matt. [Diagramm] 16.Sd8! Ke7 17.S8xf7 Da5 18.Dg5+ Einer von mehreren Gewinnzügen. Kd7 19.Lb5+ Entkräftet die Mattdrohung auf e1, weil nun der Turm von h1 deckt. axb5 20.Sxh8 1:0.

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