Triumphales Comeback: 8,5:1,5-Sieg bei „Schlacht der Legenden“
Short – Kasparow: Eine kleine Fingerübung für Schwarz…

Von Hartmut Metz
Die Haare ergraut – aber sonst schien es fast wie immer zu sein: Garri Kasparow fegte über die Gegner hinweg. Vor der Schach-WM 1993 in London gegen Nigel Short hatte das „Ungeheuer von Baku“ auf Englisch gekalauert: „Mein Gegner heißt Short und das Match wird short (kurz)!“ Den großen Tönen ließ der Weltmeister damals wie heute Taten folgen. In der „Schlacht der Legenden“ im amerikanischen St. Louis zertrümmerte der 52-Jährige seinen ehemaligen Herausforderer mit 8,5:1,5! In der ersten Schnell- schach-Partie und den Blitzpartien konnte Short noch einigermaßen mithalten – am zweiten Tag überrollte ihn Kasparow mit 5:0! Nun zählt der in Athen lebende Großmeister nicht mehr ganz zur absoluten Creme de la Creme – aber der bald 50-Jährige bewies bei seinem Open-Sieg in Thailand, dass er noch durchaus in Schuss ist. Und einen Weltranglisten-59. wie Short pflückt vielleicht höchstens Weltmeister Magnus Carlsen so auseinander. Den pries im Übrigen Kasparow als Segen für die Schachwelt.
Er steigere das Interesse an dem Denksport ungemein als Werbeikone. Der Norweger ist auch die Galionsfigur einer neuen Turnierserie, die in St. Louis anlässlich des Schaukampfs angekündigt wurde: Die acht Topspieler mit Ausnahme des terminlich verhinderten Russen Wladimir Kramnik spielen bei Norway Chess (15.-26. Juni), dem Sinquefield Cup in St. Louis (21. August bis 3. September) und den London Chess Classic (3. bis 14. Dezember) um jeweils 300 000 US-Dollar Preisgeld. Durch Prämien für die Gesamtwertung klettert die Summe auf über eine Million Dollar. 2016 soll sich ein viertes Turnier in Indonesien dazugesellen.
Kasparow ist mit Rex Sinquefield, dem großzügigen Gönner der Schachszene in St. Louis, befreundet und ließ sich offensichtlich dazu überreden, von New York herüberzukommen und ein kleines Comeback zu geben. Vor zehn Jahren war der Russe, der als Oppositionspolitiker aus Moskau flüchtete und nun den kroatischen Pass hat, als Weltranglistenerster zurückgetreten. Die zwei Jahrzehnte zuvor beherrschte Kasparow unangefochten das königliche Spiel, nachdem er 1985 seinem Erzrivalen Anatoli Karpow den WM-Titel abgenommen hatte.
Seine Blitzpartien wie die nachfolgende gegen Short unterstreichen einmal mehr die noch immer vorhandene Klasse des 52-Jährigen, der garantiert noch zu den Top 5 der Welt zählen würde.

W: Short S: Kasparow1.d4 Sf6 2.Sf3 g6 Im Königsinder hat Kasparow schon zu seiner Zeit als Aktiver großartige Partien gespielt. 3.Lg5 Lg7 4.Sbd2 h6 5.Lh4 d6 6.c3 g5 7.Lg3 Sh5 8.e3 Sd7 9.Ld3 e6 10.0–0 De7 11.a4 f5 12.Se1 Sdf6 13.f4 Sxg3 14.hxg3 0–0 15.e4 c5! 16.dxc5?! Danach übernimmt Kasparow das Ruder. 16.Sc2 c4! 17.Sxc4 fxe4 18.Le2 ergibt eine ausgeglichene Stellung. d5! 17.exf5 Dxc5+ 18.Kh1 exf5 19.Sb3 De3 20.Df3

De8! Behält den König im Visier. Der Computer bevorzugt Db6. 21.Sc2? 21.Sd4 ist geboten, auch wenn nach Se4 22.Sec2 Ld7 Schwarz aktivere Möglichkeiten hat. Sg4! Danach steckt der König auf h1 in der Bredouille. 22.Kg1 Dh5 23.Tfe1 Ld7! Ein feiner Zug, dessen Logik sich bald erschließt. 24.Dxd5+ Kh8 25.Dxd7 Short hat keine besseren Alternativen. Dh2+ 26.Kf1 Tad8 27.Dxb7 Dxg3 28.Te2 28.Dxa7 kontert Kasparow mit Ld4! 29.Sbxd4 Df2 matt. Txd3 Schwarz hat die Figur wieder zurück und spielt weiter auf Angriff. 29.Sc5 Dxf4+ 30.Ke1 Dg3+ 31.Kf1 Dh4 32.g3 32.Sxd3 Dh1 matt. Txg3 33.Se6 Tg8 34.Sxg7

Sh2+! 35.Ke1 35.Txh2 Dxh2 36.Dxa7 Tg2 37.Sxf5 Dh1+ 38.Dg1 Dxg1 matt. Sf3+ 36.Kf2 Th3+ 37.Ke3 37.Kf1 Th1+ 38.Kg2 Th2+ 39.Kf1 (39.Kxf3 Df4 matt) Dh3+ 40.Tg2 Dxg2 matt. Df4+ 38.Kd3 Se5 matt.

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