Von Joachim Kick
Am letzten Spieltag der Verbandsliga Süd musste die erste Mannschaft der Rochade Kuppenheim in Baden-Baden den Spitzenplatz verteidigen, um den Aufstieg in die Oberliga zu erreichen. Unter großmeisterlichen Bedingungen, wie beim Superturnier in Karlsruhe mit Magnus Carlsen oder der Bundesliga befand in der Brettmitte eine Glasscheibe zum Schutz vor Covid-19, begann das Unternehmen Aufstieg in die Oberliga. Im Fernduell mit den Schachfreunden Gottmadingen vom Bodensee musste der hauchdünne Vorsprung von einem Mannschaftspunkt verteidigt werden. Dass dies nicht leicht würde, zeigte sich, als die Aufstellung der vierte Mannschaft der OSG bekannt wurde, die die Runde zuvor noch die Punkte kampflos abgeschenkt hatte. So stark trat die Tabellendritten in der Verbandsliga selten an …
Nach etwa zwei Stunden sah man acht mehr oder weniger ausgeglichene Stellungen auf den Brettern. Patrick Karcher hatte mit seiner ungewöhnlichen Eröffnungsidee das Brett in hochdynamisches Chaos umgewandelt. Leider befand sich sein Gegner auf Augenhöhe und hatte jederzeit Kompensation für die drei Minusbauern. Schlussendlich verlor der Kuppenheimer die Übersicht und die Partie. Nach einem ruhigen Remis von Hubert Schuh gegen IM Rolf Schlindwein gelang dem Kapitän der Ausgleich. Joachim Kick erkannte die dynamischen Möglichkeiten der Stellung besser als sein Kontrahent Thomas Bittner und konnte zum zwischenzeitlichen 1,5:1,5 vollstrecken. Nach einem weiteren Remis von Jochen Klumpp mit Tobias Tiemann blieben noch vier Partien offen. Michael Lorenz schraubte das Risiko zu hoch, nachdem er mannschaftsdienlich ein Remis-Angebot von Reinhold Becker abgelehnt hatte. Leider ging der Versuch die Stellung zu verkomplizieren nach hinten los und Lorenz verlor sogar noch. In den restlichen drei Partien verwalteten die Kuppenheimer ausschließlich schlechtere Stellungen. Zeyneb Abbassi musste dem Druck von Stefan Doll Tribut zollen, der schön die Qualität opferte und sich so den Punkt sicherte. Damit gingen die Kurstädter mit 4:2 in Führung. Jean-Luc Roos wehrte sich am Spitzenbrett lange gegen Fabian Döttling. Der Großmeister knetete jedoch in einer nahezu gleichen Stellung mit Turm, Springer und jeweils sechs Bauern erfolgreich die weiße Stellung und siegte nach langem Kampf. Markus Merklinger verlor ebenso seine schlechtere Stellung zum 6:2 für die vierte Mannschaft der OSG. Damit musste Merklinger wie seine Rochade im wichtigsten Spiel der Saison die einzige Niederlage quittieren.
Umso größer fiel der Jubel aus, als nach der herben Schlappe die gleichzeitige Niederlage der Schachfreunde Gottmadingen bekannt wurde. Diese verloren bei dem vorbildlich kämpfenden SC Oberwinden mit 3,5:4,5 und blieben mit 12:6 Punkten hinter Kuppenheim (13:5). Ein Dankeschön aus Kuppenheim dürfte dem Tabellenfünften sicher sein, denn damit steht nach der längsten Saison mit einer Dauer von knapp zwei Jahren die Rochade Kuppenheim als Rückkehrer in die Oberliga fest! Wie minimalistisch der Meister agierte, belegen die Brettpunkte: Die Rochade weist lediglich ein Verhältnis von 38:34 auf – die nächsten vier Teams mit 12:6 oder 11:7 Zählern haben deutlich mehr auf dem Konto. Selbst der Tabellenfünfte Oberwinden holte aus den 72 Partien 40 Punkte – Dreisamtal als Vierter kam sogar dank des kampflosen 8:0 über OSG Baden-Baden V auf 47,5 Brettpunkte – 9,5 mehr als der Meister! Die Kuppenheimer hatten eben ihre Siege fast optimal „getimt“ und spielten dreimal 4:4, ehe mit dem 2:6 der erste doppelte Punktverlust folgte.
Bei den Einzel-Ergebnissen ragt Kapitän Joachim Kick heraus: Mit 7/9 ist der Kuppenheimer zusammen mit Doll der Topscorer der Verbandsliga. Voll aufs Ganze (ohne Remis) ging auch Michael Lorenz, bei dem sechs Siege drei Niederlagen gegenüber stehen. Dennoch eine starke Leistung des Ersatzmanns! Nachdem Merklinger seine erste Niederlage kassierte und so auf 4,5/9 zurückfiel, bleibt sein schachliches Vorbild und Mittagspausen-Trainer, Hubert Schuh, der einzige ungeschlagene Kuppenheimer! Stolze 5,5/9 fuhr der ehemalige Bundesligaspieler an Brett zwei und drei ein. Jochen Klumpp steht ihm mit 5/8 nur ein wenig nach. Hartmut Metz, der krankheitsbedingt die letzten zwei Spiele absagen musste (ein Spiel mehr als in 38 Jahren zuvor!), kann mit seinen 4/7 an Brett eins und zwei zufrieden sein. Ebenso der nominelle Spitzenmann Jean-Luc Roos, der dank seiner 3,5/7 das größte DWZ-Plus von 35 verzeichnete.
Seltener als früher trat Velimir Kresovic an. 2/4 steuerte der Kuppenheimer Matt-König zum Aufstieg bei. Patrick Karcher kam zwar auf die doppelte Anzahl an Einsätzen, holte aber dabei nur 1,5 Zähler. „Zu viel ausgelassen“, kommentierte er seine magere Bilanz an Brett drei bis vier. Mit zum Meister-Team gehört zudem Zeyneb Abbassi. Die Französin verlor beide Partien. Letztlich gilt aber für alle, was Karcher konstatierte: „Wir sind Meister geworden, weil wir eine super Mannschaft haben!“ Vielleicht nicht spielerisch, aber vom Zusammenhalt und dem Kampfgeist!
OSG Baden-Baden 4 | 2172 | SGR Kuppenheim | 2064 | 6 | 2 | 5.03 | ||||
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1 | 35 | Döttling,Fabian | 2544 | 2 | Roos,Jean-Luc | 2124 | 1 | 0 | 0.93 | |
2 | 46 | Schlindwein,Rolf | 2318 | 5 | Schuh,Hubert | 2236 | ½ | ½ | 0.61 | |
3 | 50 | Becker,Dirk | 2255 | 9 | Karcher,Patrick | 2104 | 1 | 0 | 0.70 | |
4 | 54 | Tiemann,Tobias | 2184 | 12 | Klumpp,Jochen | 2091 | ½ | ½ | 0.63 | |
5 | 57 | Schulz,Vladimir | 2115 | 14 | Merklinger,Markus | 2020 | 1 | 0 | 0.63 | |
6 | 72 | Doll,Stefan | 2108 | 15 | Abbassi,Zeyneb | 1940 | 1 | 0 | 0.72 | |
7 | 78 | Bittner,Thomas | 2078 | 17 | Kick,Joachim | 2063 | 0 | 1 | 0.52 | |
8 | 108 | Becker,Reinhold | 1773 | 19 | Lorenz,Michael | 1930 | 1 | 0 | 0.29 |