Sargissjan – Dimakiling: weiß am Zug gewinnt – aber wie? |
Schach-Olympiade: Nationalhelden um Aronjan gelingt dritter Sieg
Von Hartmut Metz
Man stelle sich vor: Deutschland gewinnt die Europameisterschaft. Bei der Rückkehr werden die Spieler und Trainer vom Bundespräsidenten am Berliner Flughafen empfangen. Das Bundeswehr-orchester spielt die Nationalhymne, danach Siegeszug auf der Straße des 17. Juni und Siegesparty am Brandenburger Tor, schließlich Empfang im Schloss Bellevue“, heißt es auf der populären Schach-Webseite www.chessbase.de verträumt. Das sei ja durchaus beim Gewinn einer Fußball-Europameisterschaft denkbar – im Schach gab es von alldem nichts, als die deutschen Asse im Vorjahr Europameister wurden. Der in Berlin lebende Lewon Aronjan dürfte heilfroh sein, dass er seine Entscheidung dereinst überdachte und doch weiter für Armenien statt für Deutschland spielt. Dem Bundesliga-Neuzugang der OSG Baden-Baden war somit wieder ein großer Empfang in Jerewan vergönnt! Selbst Staatspräsident Sersch Sargsjan verneigte sich vor dem Weltranglistenzweiten und dessen Team: „Es gibt nur wenige Länder in der Geschichte der Schach-Olympiaden, die in der Lage waren, solche Erfolge zu feiern. Das erfüllt unsere Herzen mit Stolz.“ Sargsjan erwähnte dann noch, dass nur die Sowjetunion und Russland mindestens dreimal triumphiert hätten in der Historie seit 1927. Da lag der Staatschef jedoch falsch: Neben der UdSSR (18) und Nachfolgestaat Russland (sechsmal) siegte die USA fünf- und Ungarn dreimal.
Bei dieser Mannschafts-WM triumphierte das kleine Land mit nicht einmal 3,3 Millionen Einwohnern schon 2006 und 2008 in Dresden. Die Kaukasus-Republik lag hauchdünn dank besserer Feinwertung vor Russland (beide 19:3 Punkte). Bronze sicherte sich die Ukraine (18:4). Entsprechend jauchzte Sargsjan: „Die armenischen Schachspieler inspirieren unsere Gesellschaft mit ihren Erfolgen, ihrer Stärke und ihrem Selbstvertrauen. Sie sind der Beweis dafür, dass wir im Vertrauen auf unseren Intellekt und Gemeinsinn eine Menge erreichen können“, klang der Präsident, der auch dem Schachverband vorsteht, pathetisch.
Bei dem Triumphzug durch die Stadt samt Galakonzert war diesmal ein zweiter Baden-Badener Bundesliga-Crack dabei: Der in Tiflis geborene Armenier Sergej Mowsesjan rückte ans zweite Brett, nachdem der 33-jährige Globetrotter zuvor für die Slowakei gespielt hatte. Aronjan ragte an der Spitze einmal mehr mit 7:3 Punkten als erfolgreichster Spieler heraus. Wie schon 2008 trumpfte Wladimir Akopjan (7,5:2,5) auf. Zudem trugen Gabriel Sargissjan und Tigran Petrosjan zum erneuten Sieg des Quintetts bei.
Die deutschen Männer (15:7 Punkte) verpassten in der letzten Runde durch ein 1:3 gegen Russland mehr als Platz zwölf unter 150 Mannschaften. Die deutschen Damen (ebenfalls 15:7) belegten Rang elf. In ihrem Wettbewerb hatte Russland mehr Glück und holte knapp vor China (beide 19:3) und der Ukraine (18:4) Gold. In der vierten Runde schlug Armenien die Philippinen nur dank des Punktes von Sargissjan gegen Oliver Dimakiling mit 2,5.1,5.
W: Sargissjan S: Dimakiling
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 c5 4.d5 d6 5.Sc3 Le7 6.e4 0–0 7.h3 Ein unscheinbarer, aber sehr nützlicher Zug: Schwarz hat Probleme, seinen weißfeldrigen Läufer zu entwickeln, der gerne auf g4 den Springer fesseln würde. b5?! Schwarz versucht, sich im Stile des Wolga-Gambits Gegenspiel für einen Bauern zu verschaffen. Richtig gelingt es allerdings nicht. Normale Entwicklungszüge mit den Figuren wie exd5 8.cxd5 a6 9.a4 Sbd7 10.Dc2 Te8 sind besser, auch wenn Weiß seinen Raumvorteil verteidigt. 8.cxb5 a6 9.a4 Te8? exd5 10.exd5 Lb7 mit Druckspiel gegen den Isolani d5 sollte geschehen. 10.dxe6! Unterstreicht, dass der Turmzug nach e8 nutzlos ist. Lxe6 11.Le2 Noch besser gefällt 11.Sg5! Das nimmt gleich den entwickelten Läufer ins Visier. c4 12.Le3 d5 13.Sd4 Lb4 14.Sxe6 fxe6 15.exd5 axb5?! Sxd5 16.Ld2 axb5 17.axb5 Txa1 18.Dxa1 Db6 leistet mehr Gegenwehr, gleichwohl Sargissjan deutlich überlegen steht. 16.dxe6 Da5 17.0–0 Lxc3 18.bxc3 bxa4 19.Ld4 Sc6 20.Lxf6 gxf6 21.Lf3 21.Lxc4 überzeugt mehr. Sargissjan verlässt sich jedoch auf einen netten Trick, auf den sein Kontrahent auch hereinfällt. Da6 Tad8 umschifft die Klippe, ist aber letztlich auch zu wenig im Kampf ums Remis. 22.Dxa4 Dxa4 23.Txa4 Txe6 24.Lg4 Ted6 25.f4! mit Gewinnstellung. 22.Txa4! Dxa4 23.Dxa4 Txa4 24.Lxc6 Die Pointe. Weiß holt sich das Material mit Zinseszins zurück. Tea8?! Erleichtert die Aufgabe noch um ein Stückchen. Taa8 25.Lxe8 Txe8 26.Te1 Kf8 27.e7+ und weil Schwarz mit dem Schlagen auf e7 in ein hoffnungsloses Bauernendspiel einlenken würde, ist das Duell auch in der Variante entschieden. Der schwarze Turm dürfte sich nicht mehr rühren, da umgehend e8D nebst erneutem Abtausch der Türme erfolgte. 25.e7! Dimakiling gab auf. Der Filipino büßt mindestens einen Turm ein nach Kf7 26.e8D+ Txe8 27.Lxa4 und verbleibt so mit Minusfigur. 1:0.
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