Psychoanalytiker Reuben Fine vor 100 Jahren geboren
Fine – Flohr: Weiß beendet rasch die „Séance“, beginnend mit einem „Donnerschlag“

Von Hartmut Metz
Als Psychoanalytiker ist Reuben Fine zumindest einmal nicht sonderlich geschickt vorgegangen: Der Amerikaner, der heute vor 100 Jahren in New York zur Welt kam, beteiligte sich an einer spiritistischen Sitzung. Als der Schach-Großmeister gefragt wurde, ob er mit einem Geist Kontakt aufnehmen wolle, nannte Fine seinen legendären Landsmann Paul Morphy. Dieser erschien angeblich auch, woraufhin Fine über das Medium das Wort an ihn richten durfte: „Bitte fragen sie ihn, ob Schwarz im Evans-Gambit im sechsten Zug mit dem Läufer den Bauern auf b4 schlagen oder lieber nach b6 ausweichen soll.“ Dem Vernehmen nach sei Fine froh gewesen, die Séance mit heiler Haut verlassen zu können … Mit Morphy hat der Jubilar eines gemein wie mit Bobby Fischer: Ihre ersten Auftritte in Europa sorgten für Aufsehen, weil das Trio durchweg grandiose Ergebnisse erzielte.
Der 21-Jährige trumpfte 1936 beim Turnier in Notting- ham auf, noch mehr bei zahlreichen Wettbewerben 1937 und dem dritten Sieg in Folge mit dem US-Team bei der Schach-Olympiade. Aber vor allem triumphierte Fine 1938 beim AVRO-Turnier, das zu den berühmtesten der Schach-Geschichte zählt. Mit Paul Keres teilte Fine in den Niederlanden den ersten Platz. Zum WM-Titel reichte es nie, weil zum einen der Weltkrieg dies verhinderte – und der Amerikaner 1948 die Einladung zum Turnier um den vakanten WM-Titel des verstorbenen Alexander Aljechin ablehnte. Angeblich fürchtete er Absprachen der sowjetischen Teilnehmer. Allerdings hatte Fine das letzte Jahrzehnt ohnehin nur noch in den USA gespielt und widmete sich zu der Zeit seiner Doktorarbeit. Der Psychoanalytiker beschäftigte sich später literarisch mit der Psychologie im Schach. Sein 1941 erschienenes Buch „Basic chess endings“ gilt als erstes Standardwerk der Endspieltheorie.
Gemäß den nachträglich berechneten historischen Elo-Zahlen führte Fine 1941 auch die Weltrangliste an. Der Jubilar, der 1993 starb, ist überdies der erfolgreichste Spieler im Kampf gegen Weltmeister: Auf fünf traf Fine in seiner Karriere und holte in den 25 Begegnungen stolze 14 Punkte!
Nachstehend sein schönster Sieg 1938 beim AVRO-Turnier über Salo Flohr. In Runde fünf baute Fine seine fulminante Start-Serie auf 4,5 Zähler aus.

W: Fine S: Flohr
1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 4.e5 c5 5.Ld2
5.a3 ist der Hauptzug. Spielbar sind aber zahlreiche andere Züge genauso. Se7 6.Sf3 Sf5 7.dxc5 Lxc5 8.Ld3 Sh4?! Der Entwicklungszug Sc6 gefällt besser, da Weiß kaum seinen Läufer auf f5 abtauschen dürfte. 9.0–0?! 9.Sxh4 spielt konsequenter auf die schwarzen Felderschwächen im gegnerischen Lager. Dxh4 10.g3 Dd8 11.Dg4 g6 12.Lg5 Dc7 13.Lf6. Sc6 10.Te1 h6 11.Sa4 Lf8 12.Tc1 Ld7 13.Sxh4 Dxh4 14.c4! Weiß öffnet die Stellung, um seinen großen Entwicklungsvorsprung zur Geltung zu bringen. dxc4?! Nach Sb4 15.Le2 d4 16.a3 Sc6 (d3 17.axb4 dxe2 18.Txe2 kostet einen Bauern) 17.f4 Dd8 18.b4± steht Schwarz allerdings auch sehr gedrängt. 15.Txc4 Solche Turmzüge liebte Fine – in vielen Partien von ihm stellt man fest, dass er die Türme gerne über die vierte Reihe aktivierte. Dd8 16.Dh5 Se7?! Die Stellung ist bereits äußerst schwierig. Dc7 17.b4 a6 18.Tf4 0–0–0 (Lc8 19.Txf7! Dxf7 20.Lg6; 18…Sd8 19.Tc1 Dxc1+ 20.Lxc1 Lxa4) 19.Txf7 und Weiß behält die Oberhand. 17.Td4?! 17.Sc5! gewinnt bereits. Sd5 (Lc6 18.Sxe6 Dxd3 – oder g6 19.Sxd8 gxh5 20.Sxc6 – 19.Td4 Dg6 20.Sc7 matt) 18.Sxb7 Db6 19.Sd6+ Lxd6 20.exd6 Dxd6 21.Td4 0–0 22.Lxh6! f5 23.Dg6 Tf7 (De7 24.Txd5 exd5 25.Txe7) 24.Lxf5! Kf8 (exf5 25.Dxd6) 25.Txe6 Lxe6 26.Lxe6 De7 27.Txd5 Tf6 28.Tf5. g6 18.Df3 Dc7?! Sc6 macht auch keinen Spaß: 19.Tf4 De7 20.Lc3 Lg7 21.b4 a6 22.Sb6 Tb8 23.Lxg6! fxg6 24.De4 Tf8 25.Dxg6+ Tf7 26.Te3 Td8 27.Sc4 Kf8 28.Txf7+ Dxf7 29.Tf3; 18…Tc8! hofft auf 19.Lb5?! (19.Sc3! hält den Druck aufrecht) Lxb5 20.Txd8+ Txd8 21.Sc3 Lc6 22.De2 und Schwarz kann noch kämpfen. 19.Sc3 Sf5 20.Sb5 20.Txd7 geht sofort. Kxd7 (Dxd7 21.Lb5) 21.Sd5!! exd5 22.Dxd5+ Kc8 23.Lxf5+ gxf5 24.La5 De7 25.Tc1+ Kb8 26.Lb4 De8 (Dxb4 27.Dd8 matt) 27.Ld6+ Lxd6 28.Dxd6 matt. Db6

21.Txd7! Kxd7 22.g4?! 22.La5! Dc6 23.Dd1! gewinnt einfacher, weil der schwarze Monarch keine guten Felder hat. Ke7 (Kc8 24.Le4 Dxb5 25.Dd8 matt) 24.Lb4+ (24.Dd2 reicht ebenso) Ke8 25.Sc7+ Dxc7 26.Lb5+ Dc6 27.Lxc6+ bxc6 28.Te4. Sh4? Dc6! verteidigt sich zäher. 23.Dh3 Lc5 24.gxf5 gxf5 25.Kf1 a6 26.Sd6 Lxd6 (Dd5 27.Td1 Tag8 28.Sxf7 Th7 29.Le3 – droht Lb5+ – Kc7 30.Sg5 Thg7 31.Lxc5 Txg5 32.Ld6+ Kd7 33.Ke2) 27.exd6 Dd5 28.Td1 Tad8 29.Lf4 Kc8 30.De3 Kb8 31.Tc1 Td7 32.Tc5 Dh1+ 33.Ke2 und der Anziehende setzt sich durch. 23.Dxf7+ Le7 24.Lb4 Tae8 25.Lxe7 Txe7 26.Df6 a6 27.Td1 axb5 28.Le4+ 1:0. Kc7 29.Dxe7+ Kb8 30.Td7 und die Stellung bricht auf b7 zusammen.

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