Zeller – Kriwoborodow: Weiß am Zug gewinnt

25. Staufer-Open: Frank Zeller geht zum Jubiläum aufs Ganze
Von Hartmut Metz
Der Auflauf beginnt am Zweiten Weihnachtsfeiertag: Die Schachspieler haben genug vom Besinnlichsein und besinnen sich auf ihre Lieblingsbeschäftigung. Sie strömen vom geschmückten Tann weg hin zu hölzernen Brettern. Vom 26. bis 30. Dezember und Anfang Januar bis Dreikönig häufen sich die offenen Turniere wie das ganze Jahr nicht mehr! Finanziell gibt es bei Open kaum etwas zu erben für die Amateure. Sie zahlen meist zwischen 50 und 120 Euro Startgeld. Damit füllen sie meist die Vereinskassen der Ausrichter – und die schmalen Portemonnaies der Profis. Das Leben eines durchschnittlichen Groß- meisters ist schließlich entbehrungsreich und karg. Nur über den Jahreswechsel besteht Aussicht, ein üppiges verspätetes Weihnachtsgeld einzustreichen. Aber da die Konkurrenz groß ist und heutzutage auch starke Amateure den Profis manchen Punkt wegschnappen, besteht keine Garantie darauf. Nur einer kann den Hauptpreis (meist 1 500 bis 2 000 Euro) einstreichen, der Rest muss sich oft mit dreistelligen Summen zufriedengeben – oder geht völlig leer aus. Und als sei das nicht schlimm genug, wird man noch in den Schachzeitungen und auf den Webseiten vorgeführt, weil man gegen einen Amateur patzte …
Der etablierteste Event über den Jahreswechsel dürfte zweifellos das Staufer-Open in Schwäbisch Gmünd sein. Bei der 25. Auflage pilgerten 376 Teilnehmer zu den drei Turnieren – das ist beachtlich, jedoch auch weit weg von der Rekordzahl 620 im Jahre 2006. Das im Mittelpunkt stehende Turnier zog zum Jubiläum 265 Spieler an. Der Hockenheimer Rainer Buhmann gewann es dank der besten Feinwertung mit 7,5:1,5 Punkten knapp vor seinen russischen Großmeister-Kollegen, den beiden Open-Spezialisten Wladimir Epischin und Wladimir Burmakin. Das Jubiläum krönte der Spitzenspieler der SG Schwäbisch Gmünd: Frank Zeller schloss zu dem Trio auf. In der letzten Runde vermied der Außenseiter gegen den russischen Großmeister Egor Kriwoborodow Remisabwicklungen, griff scharf an und wurde mit einem Sieg und dem Sprung auf ebenfalls 7,5 Zähler belohnt. Nachstehend die spektakuläre Partie.

W: Zeller S: Kriwoborodow
1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Lc4 Db6 7.Le3!? Ein zweischneidiger Zug, der voll auf Entwicklung setzt. Ängstlichere Naturen bevorzugen 7.Sb3 und gewinnen das verlorene Tempo nachher durch Le3 wieder zurück. Dxb2 8.Sdb5 8.Scb5? geht nicht wegen Db4+ 9.Dd2 Dxc4 10.Sc7+ Kd7 11.Sxa8 und der Springer kommt nicht mehr aus der Ecke. Sxe4 12.Dd3 Dxd3 13.cxd3 Sxd4 14.dxe4 Sc6 15.0–0 b6 16.Tfb1 g6 17.Sxb6+ axb6 18.Txb6 Lg7 19.Tc1 Sd8. Db4 9.De2 Sxe4 10.Lxf7+!? Zeller dürfte dieses Opfer gut kennen. Kd8 Kxf7 bevorzugen Programme: 11.Tb1 Da5 12.Dc4+ e6 13.Dxe4 gleicht materiell bis auf einen Bauern aus. Dafür erhält Weiß bessere Angriffschancen, die Kriwoborodow sicher fürchtete. 11.a3 Da5 Db2 12.Td1! Ein enorm trickreicher Zug! Lg4! (Bloß nicht das gierige 12…Sxc3?? 13.Txd6+! exd6 14.Lb6+ axb6 15.De8 matt. Und 13…Ld7 erlaubt 14.Txd7+! Kc8 15.Tc7+ Kb8 16.Tc8+!! Kxc8 17.Le6+ Kd8 – Kb8 18.Lf4+ Se5 19.Lxe5 matt – 18.Dd2+ Ke8 19.Sc7 matt) 13.Dxg4 Sxc3 14.Sxc3 Dxc3+ 15.Ld2 De5+ 16.Le3 Dc3+ mit Zugwiederholung. 12.0–0–0 Geradezu tollkühn, in den offenen Flügel hineinzurochieren! Das ist jedoch der beste Zug, der vor allem unerbittlich den Druck auf d6 erhöht. Sf6 13.Sd5 Ld7 14.Sdc7 Se5 Tc8 wirkt logischer: Das greift den Springer an und nimmt c2 ins Visier. 15.Ld2 Db6 16.Le3 Da5 17.Ld2 Db6 Schwarz signalisiert seine Remis-Bereitschaft in der zweischneidigen Position. 18.Le6! Tapfer und mit dem Mute der Verzweiflung gezogen – ein Friedensschluss hätte Zeller im Pulk der Spieler mit 7:2 Punkten verschwinden lassen, was zu deutlich weniger Preisgeld geführt hätte. Lxb5 19.Sxb5 a6 20.Dxe5! Zu dem Zug lässt man sich gerne hinreißen! In Betracht kam genauso das schlichtere 20.Sd4. axb5?! Sd7 21.Sxd6 Sxe5 22.La5! Kc7 23.Lxb6+ Kxb6 24.Se4 g6 hält den weißen Vorteil in schmalen Grenzen. 20…dxe5? verliert schnell: 21.La5+ Ke8 22.Lxb6 axb5 23.f4 exf4 (g6 24.fxe5 Lh6+ 25.Kb2 Se4 26.Ld7+ Kf8 27.The1 Sd2 28.Lxb5 Kg7 29.Le3 Lxe3 30.Txe3 Thd8 31.Td3 Txd3 32.Lxd3 mit Springerfang) 24.Td4 g6 25.Thd1 Lg7 26.Td8+ Txd8 27.Txd8 matt. 21.Lb4?! 21.Le3! Dc6 22.Db2 Se8 23.The1 Sc7 24.Lh3 e6 25.Td3 Ta4 mag ja Houdini haltbar erscheinen – als Mensch will man solch eine Stellung aber nicht verteidigen müssen. Kc7 22.De2 g6 23.f4 Lh6 24.g3 Thd8 25.Td3 Lg7 26.Thd1 Sd7?! Kb8 nimmt den König aus dem Schussfeld. 27.Ld5? 27.Lh3! ist angebracht, um auf dieser Diagonalen Druck auszuüben. Lf6 28.Te3! Te8 (Dc6 29.Lg2 Db6 (Dc4 30.Tdd3 Droht Tc3. Kb8 31.Txe7) 30.Txe7 Lxe7 31.Dxe7 und die schwarze Stellung kollabiert. Ein Beispiel: Ta6 32.Lh3 h6 33.Td3 g5 34.Lxd7 Txd7 35.Tc3+ Kb8 36.Dxd7) 29.Td5! Ld4 30.Te6! Lf6 31.Dd2 Kd8 32.Lf1 Dg1 33.Te1 Db6 34.Lxb5+–. Sc5 28.Te3 Lf6 29.g4 g5 30.Txe7+!? Lxe7 31.Dxe7+ Td7 32.Dxg5 Se6? Sa6 Eine Serie von starken Zügen könnte an dieser Stelle Schwarz im Spiel halten: 33.Ld2 b4! 34.Le6 Sc5! 35.Lxd7 bxa3! 36.Lb5 Plötzlich steckt der weiße Monarch in Schwierigkeiten. Dxb5 37.De7+ Sd7 38.Lc3 Ta6 39.Lf6 Kb8 40.De8+ Ka7 41.Ld4+ b6 42.De7 a2 43.La1 d5 44.Td4 Ta5 45.f5 Ka6 46.Tb4 Df1+ 47.Kd2 Dxa1 48.Dxd7 Dg1 (Df6 49.Dc8+ Ka7 50.Dc7+ Ka6 51.Dc8+) 49.Dc8+ Ka7 50.Dc7+ Ka6 51.Dc8+ Ka7 52.Dc7+ führt zum Dauerschach. 33.Lxe6 De3+ 34.Kb2 34.Kb1! ist präziser. Dxe6 35.Dxb5 Ta6 (Dxg4 36.Dc4+ Kd8 37.Td3 Dg1+ 38.Ka2 d5 (Tc8 39.La5+) 39.Txd5 Dg8! 40.La5+ Ke7 41.Dc5+ Ke8 42.De3+ Te7 43.Db3 Df7 44.Kb2 ergibt eine kaum zu haltende Stellung für den Nachziehenden, weil sich der schwarze König permanent in Gefahr befindet) 36.f5 Df6 37.h4! Dxh4 38.La5+ Kc8 39.Lb6 Dxg4 40.Te1 Txb6 41.Dxb6 Dh5 (Dxf5 42.Te8+ Td8 43.Txd8 matt) 42.f6 Df7 43.Dd4 h5 44.a4 Kb8 (d5 45.De5 h4 46.Te3 d4 47.Dc5+ Tc7 48.Dxd4+–) 45.a5 Tc7 46.a6! bxa6 47.Dxd6+– Ka7 48.Dxc7+ Dxc7 49.Te7 Kb7 50.Txc7+ Kxc7 51.f7 Kd7 52.f8D. Dxe6 35.Td3 Tg8 36.Dxb5 Txg4 37.Tc3+ 37.La5+ Kb8 38.Lb6 Txf4 39.Da5 Te7 40.Tc3 Tc4 41.Da7+ Kc8 42.Da8+ Kd7 43.Dd8+ Kc6 44.Txc4+ Dxc4 45.Dxe7 Db5+ 46.Ka1 Dxb6 47.De4+ Kb5 48.Dxh7 Dd4+ 49.Ka2 Dc4+ 50.Kb2 Dd4+ 51.c3 Dd2+ 52.Dc2 Df4 53.Dg2 Ka6 führt zu einem Damen-Endspiel mit Mehrbauer. Kb8 38.f5 Df7 39.Te3 Tc4 40.Te6 Tc6 41.Dd5 Ka8 42.Da5+ Ta6 43.Dd5 Tc6 44.f6 Dg6 45.c3 Tf7? Dg1! 46.Te8+ Ka7 47.Dd4+ Dxd4 48.cxd4 Tc4 49.Te7 Txe7 50.fxe7 Tc8 51.Lxd6 b6 52.Lc7 Tg8 53.d5 Kb7 54.d6 Kc6 55.a4 Kd7 56.Kb3 mit Ausgleich. h5 57.Kb4 Tg2 58.Kb5 Tb2+ 59.Ka6 h4 (Txh2 verbietet sich wegen des Tricks 60.e8D+! Kxe8 61.d7+ Kxd7 62.Lxh2 Kc8 63.Kxb6 h4 64.a5 h3 65.a6 und Schwarz gelangt nicht in die rettende Ecke) 60.Lb8 h3 61.Lc7 Tb4 62.Kb7 Txa4 63.Kxb6 Tb4+ mit Ausgleich. 46.a4 Tf8? Das verliert ohne Umschweife. Td7 erfordert mehr Präzision von Zeller. 47.Te7 Txe7 48.fxe7 Ka7 49.Ka3! Dc2 (De8 50.Lxd6 b6 51.c4 Kb7 52.c5 bxc5 53.Lxc5 Kc7 54.a5 Kc8 55.Kb4 h6 56.Df5+ Kc7 57.Lb6+ Kb7 58.Ld8 Ka7 59.Dd5 Ta6 60.Dc5+ Kb7 61.Dc7+ Ka8 62.Dc8+ Ka7 63.Lb6+) 50.Da5+ Ta6 51.Dxa6+ Kxa6 52.e8D Dc1+ 53.Kb3 Dd1+ 54.Kc4 Df1+ 55.Kd5 Dd3+ 56.Ke6 De4+ 57.Kd7 Dc6+ 58.Kd8. 47.Txd6 Tfc8 48.f7 Dg7 Txd6 49.Lxd6. 49.Txc6 bxc6 50.Df3 Geht kein Risiko mehr ein. 50.Da5+ Kb7 51.Lc5 Dxf7 52.Da7 matt und 50.Dd7 Tb8 51.Dxc6+ Ka7 52.Dc7+ Ka8 53.Dxb8+ Kxb8 54.f8D+ Dxf8 55.Lxf8 gewinnen noch einfacher. 1:0.

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