In Bad Mergentheim ist am Wochenende Weltklasse-Schach geboten worden! Das lag aber weniger am Gastspiel der Rochade Kuppenheim – natürlich hierbei Theorie-Papst Joachim Kick und ein furioser Thilo Ehmann ausgenommen … Im Ernst: Weil die erste Mannschaft der Mergentheimer in der Bundesliga Gastgeber war, reisten fünf Rochade-Cracks schon einen Tag früher in den Kurort, um die Asse vor Ort zu bestaunen. Neben den Hausherren, gegen die die Kuppenheimer schon mehrfach in der Oberliga gespielt haben, gingen Dresden, Solingen und vor allem Düsseldorf an die Bretter. Der Spitzenreiter um den aktuellen Weltranglistenvierten Arjun Erigaisi gaben sich auch keine Blöße und fegte über Dresden wie Bad Mergentheim hinweg. Angesichts von drei Punkten Vorsprung vor Titelverteidiger Viernheim und gar deren vier vor Serienmeister OSG Baden-Baden dürfte Düsseldorf wohl erstmals deutscher Meister werden.
Doppeltes Entgegenkommen der Mergentheimer
Die Rochade profitierte mehrfach von den Bundesliga-Heimspielen. Zum einen besorgte Michael Pfleger den Kuppenheimer Angereisten ein Hotel zum Sonderpreis. Auch an den Brettern gab es ein Entgegenkommen des bisherigen Tabellenzweiten: Auf Grund der Organisation des Wochenendes fehlten Stammkräfte wie Vereinsboss Kai Kluss, Johannes Raps oder Klaus Kistner und vor allem der in der Bundesliga eingesetzte IM Alexander Gasthofer. Dazu fiel auch Christian Hauke wegen Krankheit aus. Dafür spielte zwar IM Viktor Gasthofer – aber ansonsten mussten die Gastgeber für die bedeutungslose Partie die hintersten Kräfte der Oberliga-Rangliste ausgraben. So hatte insbesondere Topscorer Velimir Kresovic leichtes Spiel seine Serie auf 5/5 auszubauen. Gegen Rahmudin Najib Mohammadi zeichnete sich sein Sieg trotz der schwarzen Steine bald ab. Der Spieler mit einer DWZ von 1482 war gegen den Serben überfordert. So konnte Hubert Schuh beruhigt den Punktereigen mit einem Remis gegen Jürgen Larson eröffnen.

Ehmann „enttäuscht“ Fans mit verspätetem g4
Den ersten vollen Zähler brachte jedoch Thilo Ehmann in die Rochade-Scheuer. Der Spitzenspieler hatte seine Kameraden allerdings etwas „enttäuscht“, wie sie juxten. Ehmann hatte tags zuvor angekündigt, dass er wohl im „siebten Zug g4“ gemäß seiner Vorbereitung ziehen würde. Doch der kecke Bauernzug erfolgte erst im achten Zug! Schlichte Ursache für den Fauxpas: Der verzögerte Tempoverlust mit erst g3 und nachfolgendem Läufer gen g2. Das änderte freilich nichts an dem fulminanten Angriff, den Ehmann dadurch einleitete. Mit einem Läuferopfer auf h6 und dem Bauer, der bis nach g7 eilte, setzte der badische Pokalsieger Viktor Gasthofer dermaßen zu, dass der IM in Zeitnot geriet. In dieser konnte er aber das Unglück für Schwarz nicht aufhalten. Ein Springeropfer machte ihm den Garaus. So konnten die Fans zumindest bejubeln, dass der muntere g-Bauer bis nach g7 marschiert war und dort das aufregende Duell entschied.
Kick holt verpassten Gewinn später nach
An den meisten anderen Brettern sah es nach dem 2,5:0,5 durch Kresovic meist gut aus. Hartmut Metz nahm daher in vermutlich schlechterer Stellung das Remisangebot des sehr sicher spielenden Horst Schmidt an. Deutlich besser kam Kick aus der Eröffnung. Edgar Oden wehrte sich wacker, aber der Kuppenheimer Kapitän brach dessen Widerstand – auch wenn Kick einen „früheren Gewinn ausließ“, wie der Anziehende beklagte. Angesichts der 4:1-Führung einigte sich auch Jochen Klumpp mit Konstantin Kappes auf ein Remis, was den Mannschaftssieg sicherte.
Roos dominiert Doppel-Turmendspiel
Blieben noch zwei Partien, die es in sich hatten. Jean-Luc Roos stand gegen Michael Pfleger besser. Der stets originell spielende Mergentheimer versuchte am Königsflügel zu zündeln, anstatt auf passive Verteidigung umzustellen. Der Franzose nahm die Einladung zu aggressiven Handlungen gerne an und kassierte einen Bauern ein. Den konnte sich Pfleger zwar zurückholen, allerdings kostete dies zu viel Zeit. Roos ließ den g-Freibauern laufen. Diesen konnte Weiß nicht mehr im Doppel-Turm-Endspiel sinnvoll stoppen, stand doch Pflegers König weit entfernt im Abseits. Die schlecht koordinierten weißen Türme waren gegen ihre Widerparts machtlos und konnten den g-Bauern nicht aufhalten.
Zäher Verteidiger Meier nur mit „Minusbauer“ glücklich
Blieb noch die letzte Partie an Position vier. Marlon Meier hatte schon „gewohnheitsmäßig“ einen Minusbauern. „Sonst fühle ich mich nicht wohl“, ulkte der Kuppenheimer. Aber wie schon gegen Emmendingen bewies Meier, dass er ein äußerst zäher Verteidiger ist – selbst in Zeitnot! Marhartya Novikova hatte sehr stark gespielt, verbrauchte dann aber ihren mehr als halbstündigen Zeitvorsprung auf der Uhr. Während sich Meier dank der 30 Sekunden Gutschrift nach jedem Zug über zwei Minuten Restbedenkzeit hielt, rutschte Novikova auf eine Minute herunter. Dann passierte das Unglück aus Sicht der engagierten Ukrainerin: Weil sie einen ihrer einzig verbliebenen h-Doppelbauern nicht einbüßen wollte, übersah sie eine Springergabel. Der Verlust eines Springers wäre noch im Remissinne in dem Endspiel mit beidseitigem Turm und Springer als Restmaterial zu verkraften gewesen. Aber da plötzlich der ganze Turm weg war, konnte Meier sogar noch äußerst glücklich gewinnen!
Emmendingen braucht beim Meister ein Erfolgserlebnis
Durch das 6,5:1,5 spülte es die Rochade sogar von Rang fünf auf Platz zwei vor. Am letzten Spieltag geht es so bei Freiburg-Zähringen im Spitzenspiel um die Vizemeisterschaft. Angesichts der klar besten Brettpunkte dürfen Walldorf II und Bad Mergentheim II (alle 9:7 Punkte) nur bei einem 4:4 zwischen dem Tabellenzweiten und -dritten noch auf die Vizemeisterschaft hoffen. Als Meister steht der Ex-Bundesligist Hockenheim (15:1) längst fest. Der Spitzenreiter trifft am Saisonende am 13. April auf Emmendingen, das ein Erfolgserlebnis braucht, um noch an den Karlsruher SF II oder Ladenburg (alle 6:10) vorbeiziehen zu können. Als erster Absteiger steht lediglich Eppingen II (3:13) fest.
SF Bad Mergentheim 2 (N) | 1932 | SGR Kuppenheim (N) | 2149 | 1½ | 6½ | 2.02 | ||||
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1 | 14 | Gasthofer, Viktor | 2195 | 1 | Ehmann, Thilo | 2347 | 0 | 1 | 0.30 | |
2 | 16 | Pfleger, Michael | 2068 | 3 | Roos, Jean-Luc | 2193 | 0 | 1 | 0.33 | |
3 | 28 | Schmidt, Horst | 2067 | 6 | Metz, Hartmut | 2194 | ½ | ½ | 0.33 | |
4 | 30 | Novikova, Marharyta | 1964 | 7 | Meier, Marlon | 2059 | 0 | 1 | 0.37 | |
5 | 33 | Oden, Edgar | 1904 | 10 | Kick, Joachim | 2062 | 0 | 1 | 0.29 | |
6 | 34 | Larson, Jürgen | 1913 | 11 | Schuh, Hubert | 2232 | ½ | ½ | 0.13 | |
7 | 35 | Kappes, Konstantin | 1866 | 13 | Klumpp, Jochen | 2055 | ½ | ½ | 0.25 | |
8 | 68 | Najib-Mohammadi, Rahmuddin | 1482 | 14 | Kresovic, Velimir | 2048 | 0 | 1 | 0.02 |