Deutscher Spitzenspieler wechselt schweren Herzens nach Aserbaidschan / Ausführliches Interview im Schach-Magazin 64 zu den Hintergründen
Naiditsch – Meister: Weiß stößt alsbald auf eine „Ölquelle“

Von Hartmut Metz
Arkadij Naiditsch hat sich den Wechsel alles andere als leicht gemacht – seit Monaten liefen die Ver- handlungen. Der aserische Schachverband unter- breitete der deutschen Nummer eins ein lukratives Angebot für einen Wechsel. Schließlich will der Gastgeber bei der Schach-Olympiade 2016 in Baku ganz vorne mitmischen. Naiditsch zögerte dennoch seit Wochen – vor ein paar Tagen fällte der 29-Jährige dann im Urlaub in der Toskana die Entscheidung, zu neuen Ufern aufzubrechen. Dem Badischen Tagblatt in Baden-Baden bestätigte er als erstem Medium den Wechsel. Im „Schach-Magazin 64“ (Ausgabe August) nimmt der Großmeister ausführlich Stellung zu dem Schritt, erzählt, wie es dazu kommen konnte und was er sich unter aserischer Flagge erhofft. Die Gründe für die Rochade sind dabei nicht rein monetärer Natur. Die kolportierten 50 000 Dollar Handgeld bestätigte der Baden-Badener, der nun nach Baku umzieht, nicht: „Die finanzielle Seite ist aber definitiv besser als in Deutschland.
Es ist aber auch nicht so, dass ich eine Ölquelle kriege“, berichtet Naiditsch mit Blick auf den Ölmulti Socar als Sponsor und betont, „der Wechsel nach Aserbaidschan ist kein Feiertag für mich!“


Arkadij Naiditsch (li.) mit Schachrijar Mamedjarow

Sportliche Gründe und die Enttäuschung über den Deutschen Schachbund (DSB), der in den letzten zehn Jahren nur „ein dreitägiges Trainingslager für seine Nationalmannschaft organisiert“ habe, gaben zusätzlich den Ausschlag. „Ich sehe einfach die Möglichkeit, mich als Sportler zu steigern. Warum soll ich es nicht probieren?“, erzählt der mehrfache Bezwinger von Weltmeister Magnus Carlsen. Im Kaukasus kümmere sich der Verband um optimale Bedingungen für die Großmeister. „Ich glaube, ich habe dort mit Trainern und Sekundanten eine Chance, deutlich besser zu werden“, hofft der Weltranglisten-54. und setzt überdies auf die Zusammenarbeit mit Topleuten wie Teimour Radjabow und Schachrijar Mamedjarow. Der ehemalige Weltranglistensechste ist ein guter Freund des gebürtigen Rigaers und trug mit dazu bei, dass der Wechsel eingefädelt wurde.
Dem DSB kreidet Naiditsch an, dass selbst nach dem Gewinn des EM-Titels 2011 keinerlei Sponsoren gefunden wurden. Zudem richte der größte europäische Schachverband nie Top-Turniere aus, bei denen die eigenen Spieler lernen könnten. Weil Naiditsch dies ebenso wie andere Missstände öffentlich harsch kritisierte, ist kaum mehr einer unter den DSB-Granden gut auf den Spitzenspieler zu sprechen und die Mehrzahl eher froh über den Abgang. Der nationale Schach-Star räumt daher ein, dass er „vielleicht manchmal zu hart“ vorgegangen sei, aber „es war immer die Wahrheit, die ich sagte. Und ich wollte etwas verbessern“.
In der Bundesliga will Naiditsch weiter den Abräumer für die OSG Baden-Baden spielen. 2011, im Jahr des so fruchtlosen EM-Gewinns, schlug der Topscorer Peter Meister (Bayern München) im gewohnten Husarenritt.

W: Naiditsch S: Meister
1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.Le3 a6 5.Dd2 Sd7 6.0–0–0 b5 7.h4 Sgf6 8.Lh6!?
Eine aggressive Fortsetzung im Stile Naiditschs. 8.f3 zieht der Computer vor. Sb6 9.Ld3 h5 (Sc4 gibt Weiß die bessere Stellung nach 10.Lxc4 bxc4 11.Lh6±) 10.Sh3 mit beiderseitigen Chancen. Lxh6 9.Dxh6 b4 10.Sd5 Sxd5 Sxe4 11.h5! Sxf2? verliert (zu unklarem Spiel führt Tf8 12.Dxh7 Sdf6 13.Sxf6+ Sxf6 14.Dh6 Sxh5 15.Sf3) 12.hxg6 fxg6 13.Te1 Se5 14.Dg7 Tf8 15.dxe5 Le6 16.exd6 Tf7 17.Dh8+ Tf8 18.Dxh7 Tf7 19.Sxc7+ Kd7 20.Txe6! Txh7 21.Txh7. 11.Dg7!? Tf8 12.exd5 Lb7 13.Sh3 Lxd5 14.Sf4 c6?! Lxa2 kommt in Betracht. 15.Th3 h5?! Da5 setzt auf Angriff am Damenflügel. 16.a3 Tb8 17.Sxd5 Dxd5 18.axb4 a5 19.b5 cxb5. 16.a3 a5 17.Te1 e6

18.Lb5!?= Ein überraschender Zug, auf den man erst einmal kommen muss! Tc8?? Allein De7 19.Sxd5 cxd5 wahrt das Gleichgewicht – auch wenn es optisch schlecht für Schwarz aussieht.

19.Lxc6!! Obwohl der Bauer doppelt gedeckt ist, entscheidet der Einschlag sofort: Txc6 gibt die Figur gleich zurück, ohne die weiße Attacke zu bremsen: 20.Sxd5 bxa3 (Dc8 21.Txe6+! Kd8 – fxe6 22.De7 matt – 22.Te2 bxa3 23.The3! axb2+ 24.Kb1 Tc4 25.Dxf7! Dc6 26.Te8+ Txe8 27.Txe8 matt) 21.Txe6+!! fxe6 22.Dxg6+ Tf7 23.Tf3 axb2+ 24.Kb1 Sf6 25.Sxf6+ Ke7 26.Sd5+ exd5 27.Dxf7 matt. Und bei 19…Lxc6 hebelt 20.Sxe6! die gegnerische Stellung aus: De7 (fxe6 21.Txe6+ De7 22.Dxe7 matt) 21.The3 Dxe6 22.Txe6+ fxe6 23.Txe6+ Kd8 24.De7+ Kc7 25.Dxd6+ Kb7 26.d5 Lb5 27.a4 Lxa4 28.Da6+ Kb8 29.Dxa5 Txc2+ 30.Kb1 Tfxf2 31.Dxb4+ Kc7 32.d6+ Kc6 (Kc8 33.Te8 matt) 33.Dxa4+ Kd5 34.Db3+ Kc6 35.Dxc2+ Txc2 36.Kxc2 mit leichtem Gewinn. 1:0.

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